Aus aller Welt
Meet a humanist
Für Humanist*innen war Donald Trump eine dunkle Macht am Ruder der Vereinigten Staaten. Zu Recht koordinierte ein Humanist seinen Amtsenthebungsprozess. Doch er hat noch viel mehr getan: Jamie Raskin.
Für Humanist*innen war Donald Trump eine dunkle Macht am Ruder der Vereinigten Staaten. Zu Recht koordinierte ein Humanist seinen Amtsenthebungsprozess. Doch er hat noch viel mehr getan: Jamie Raskin.
Von Jennifer Bardi
Humanist*innen in den Vereinigten Staaten lernten Jamie Raskin erstmals 2006 kennen, als er vor dem Senat des Bundesstaates Maryland über die Gesetzgebung zum Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe sprach. Zu dieser Zeit als Professor für Verfassungsrecht tätig, sprach er von gleichem Schutz und rechtstaatlichen Verfahren. „Was ist mit der Bibel?“, fragte ihn ein frustrierter republikanischer Senator und bezog sich dabei auf die dort zu findende Definition von Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. „Senator, bei allem Respekt“, antwortete Raskin, „als Sie Ihren Amtseid ablegten, legten Sie Ihre Hand auf die Bibel und schworen, die Verfassung zu wahren. Sie haben Ihre Hand nicht auf die Verfassung gelegt und geschworen, die Bibel zu wahren.“
Zwei Jahre später, nun selbst Senator des Staates Maryland, nahm Raskin den Distinguished Service Award der American Humanist Association auf dem World Humanist Congress in Washington, D.C. entgegen. In seiner Ansprache, die er mit seiner uns bekannten formidablen Redekunst und über jeden Zweifel erhabenen Menschlichkeit hielt, betonte Raskin die lebenswichtige Notwendigkeit, Kirche und Staat getrennt zu halten: „Es versteht sich von selbst, dass der eigentliche Zweck und die Auswirkungen der Injektion religiöser Dogmen in eine Regierung niemals darin bestehen, die Menschen tugendhafter oder heiliger zu machen, sondern eher darin, bestimmte politische Agenden voranzutreiben.“
Raskin würdigte Held*innen des menschlichen Fortschritts, die religiös motiviert waren (z. B. Rev. Martin Luther King, Schwester Helen Prejean) und solche, die es nicht waren (z. B. Thomas Paine, Thomas Jefferson), und sprach über die Notwendigkeit, dass Menschen mit unterschiedlichen religiösen oder ideologischen Ansichten ihre Kräfte vereinen, um das Leben zu verbessern und das Gemeinwohl zu fördern. Dies erfordere eine gewisse Bescheidenheit, bemerkte er und zitierte den Richter Billings Learned Hand aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, der sagte: „Der Geist der Freiheit ist der Geist, der sich nicht zu sicher ist, dass er Recht hat; der Geist der Freiheit ist der Geist, der versucht, die Gedanken anderer Männer und Frauen zu verstehen.“
Als Senator des Bundesstaates Maryland von 2007 bis 2016 war Raskin ein progressives Kraftpaket, das vor allem den erfolgreichen Vorstoß für die Gleichstellung der Ehe und die Abschaffung der Todesstrafe anführte. Bei einer anderen humanistischen Konferenz, diesmal im Jahr 2013, erzählte Raskin von seiner Rede, in der er seine Kandidatur für die Legislative von Maryland ankündigte. Er hatte über die Legalisierung der Ehe für schwule und lesbische Wähler*innen gesprochen und ihm wurde gesagt, dass dies keine kluge Position sei, sondern ihn extrem erscheinen lasse. „In diesem Moment entschied ich, dass ich nicht in der politischen Mitte sein wollte, die sich ohnehin umherbewegt. Ich wollte in der moralischen Mitte sein, und ich würde die politische Mitte zu mir kommen lassen“, so Raskin.
Seit 2016 vertritt Raskin, ein Demokrat, mit Begeisterung den achten Bezirk von Maryland im US-Repräsentantenhaus. Er hat Resolutionen zum Nationalen Tag der Vernunft und zum Darwin-Tag mitgetragen, die die Evolutionstheorie unterstützen, die Lehre von Kreationismus in öffentlichen Schulen bekämpfen und die Macht und Notwendigkeit von Wissenschaft anerkennen, um die Herausforderungen der Gesellschaft zu bewältigen. Er unterstützte die Resolution des Repräsentantenhauses (die auch im Senat angenommen wurde), die ein weltweites Ende von Blasphemiegesetzen fordert. Und im Jahr 2018 half Raskin bei der Gründung des Congressional Freethought Caucus, um Säkularität sowie Gedanken- und Gewissensfreiheit zu fördern und sich gegen die Diskriminierung von Atheist*innen, Humanist*innen und anderen nicht-religiösen Amerikaner*innen zu wenden.
Stolz auf seine jüdische Herkunft heißt Raskin auch das Etikett des „Humanisten mit kleinem ‚h‘“ willkommen, als Teil seines moralischen Kerns, und er beschreibt dies als eine philosophische Identität. „Humanistische Werte und säkulare Demokratie im öffentlichen Raum zu verteidigen, hat sehr wenig mit Mut zu tun, sondern vielmehr mit Selbstachtung und dem Bauchgefühl, dass wir der Unvernunft nur auf unser eigenes Risiko und auf Gefahr für uns selbst hin erlauben, die öffentliche Entscheidungsfindung zu kontrollieren“, sagte er Humanist*innen im Jahr 2013. „Wie Voltaire esscharfsinnig formulierte: ‚Wer dich dazu bringen kann, Absurditäten zu glauben, kann dich dazu bringen, Gräueltaten zu begehen.‘“
Springen wir vor zum 6. Januar 2021. Nach monatelangen haltlosen Behauptungen von Präsident Donald Trump, die Präsidentschaftswahlen 2020 seien gestohlen worden, forderte Trump Tausende seiner Anhänger*innen auf, zum US-Kapitol zu marschieren. In Deckung gehend vor dem gewalttätigen einbrechenden Mob, begann Raskin, der den kürzlichen, tragischen Tod seines Sohnes Tommy betrauerte und um zwei Familienmitglieder ürchtete, die sich in seinem Kongressbüro verschanzt hatten, das zu entwerfen, was der einzige Artikel der Anklage gegen Präsident Trump wegen Anstiftung zum Aufruhr werden würde. Er brachte ihn am 11. Januar ein und das Haus stimmte zwei Tage später für die Anklage. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses und kalifornische Demokratin Nancy Pelosi bat Raskin anschließend, die Anklage gegen Trump im Senatsverfahren im folgenden Monat zu leiten. Meisterhaft vorgetragen, zitierte er die Weisheit von Abraham Lincoln und des Humanisten der Aufklärung, Thomas Paine.
Unermüdlicher Verteidiger der Verfassung, unermüdlicher Anwalt des Volkes, Liebhaber der Sprache, der Weisheit, des Humors und der Wahrheit – Jamie Raskin ist ein Humanist von höchstem Format. Im Angesicht persönlicher Tragödien und nationaler Bedrohungen kämpft er weiter für das Gute und das ist gut für uns alle.
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