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Kommentar

Bischof: „Menschen ohne und gegen Gott“ verantwortlich für Holocaust

Der Augsburger Bischof Bertram Meier hat mal wieder getan, was katholische Bischöfe halt üblicherweise so tun. Aber wie lange müssen kirchenferne Bürgerinnen und Bürger dafür noch bezahlen?

Der Augsburger Bischof Bertram Meier hat mal wieder getan, was katholische Bischöfe halt üblicherweise so tun. Aber wie lange müssen kirchenferne Bürgerinnen und Bürger dafür noch bezahlen?

Bertram Meier (2018), katholische Verkörperung der „Krone der Schöpfung“. Foto: © IMAGO / epd

Der Augsburger Bischof und Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) Bertram Meier hat am Dienstag nichtreligiöse Menschen als maßgeblich Verantwortliche für die Shoah bezeichnet. Anlässlich des 80. Todestags der in eine jüdisch-orthodoxe Familie geborenen Philosophin und späteren katholischen Ordensschwester Edith Stein am 9. August 1942 betonte Maier laut übereinstimmenden Berichten in einer Ansprache für die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz:

„Wozu der Mensch ohne und gegen Gott fähig ist, das sehen wir an diesem Ort.“

Der Bischof trug die Ansprache zur Würdigung Steins laut Berichten nicht persönlich vor, eine Stellungnahme mit entsprechendem Wortlaut wurde aber durch die DBK veröffentlicht.

Meier stellte sich mit seiner Äußerung in eine weitere unrühmliche Tradition seiner Amtsvorgänger, zu denen etwa der frühere Augsburger Bischof Walter Mixa gehört. Mixa hatte im Jahr 2009 in seiner Osterpredigt behauptet, eine Gesellschaft ohne Gott sei „die Hölle auf Erden“. Papst Benedikt XVI. behauptete 2012, der „praktische Atheismus“ sei „noch zerstörerischer“ als der theoretische Atheismus früherer Jahrhunderte. 2016 hatte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen „Menschen ohne Auferstehungsglauben“ in einer Ostermesse als „großes Sicherheitsrisiko“ bezeichnet.

Der Rückendeckung des gerade aktuellen Papstes dürfte sich der Augsburger Bischof bei seinen jüngsten Äußerungen indes wohl sicher wähnen. Franziskus selbst hatte erst Ende Juli bei einer Vesper im Rahmen seiner Kanada-Reise mit Berufung auf seinen Amtsvorgänger Papst Paul VI. (1963-1978) vor „Säkularismus“ gewarnt, „eine[r] Lebensauffassung, die uns völlig von unserer Bindung an den Schöpfer trennt, so dass Gott ‚überflüssig und zu einem Störfaktor‘ wird und ‚neue Formen des Atheismus‘ entstehen, heimtückisch und vielfältig: ‚eine Zivilisation des Konsums, den sinnenhaften Genuss als den höchsten Wert, den Willen nach Macht und Beherrschung und Diskriminierungen jeglicher Art‘.“

Zu den historischen Tatsachen gehört mit Blick auf Meiers und vergleichbare Äußerungen, dass die deutschsprachige Bevölkerung Europas zur Zeit der NS-Machtergreifung zum allergrößten Teil christlich getauft gewesen ist und einer der Kirchen angehörte.

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Organisationen sogenannter „Dissidenten“ ohne Kirchenzugehörigkeit, d. h. Vereinigungen nichtreligiöser und von humanistischen Werten überzeugten, „freidenkerischen“ bzw. „freigeistigen“ Bürger*innen, wurden im ehemaligen Deutschen Reich wie auch in Österreich nach 1933 systematisch zerschlagen, enteignet und verfolgt. Der Religionswissenschaftler Horst Junginger über diese Zeit in Österreich:

„Der nach dem Staatsstreich am 5. März 1934 diktatorisch regierende Engelbert Dollfuß ergriff sofort die Gelegenheit, um zusammen mit der Kirche gegen das „Gottlosentum“ vorzugehen. Seit August 1933 mussten Austrittswillige ihren Gesundheitszustand nachweisen und in Salzburg wurde der Kirchenaustritt mit sechswöchigem Arrest bestraft. Die im Mai 1934 verabschiedete Verfassung des autoritären Ständestaates verlangte, dass Staatsbeamte der Kirche oder der vaterländischen Front angehören mussten. Gleichzeitig trat das neue Konkordat in Kraft, das den Einfluss der katholischen Kirche stärkte.“1Religiöse Vielfalt in Österreich, S. 391, Nomos Verlag, Baden-Baden 2022

In den NS-Konzentrationslagern wurden neben den Millionen Menschen jüdischen Glaubens und Angehörigen anderer Minderheiten viele tausende und oft dissidentische Sozialdemokrat*innen sowie andere Oppositionelle inhaftiert und ermordet.

Auch seriöser argumentierende Theolog*innen der jüngeren Zeit streiten nicht ab, dass Adolf Hitler seine Ideologie religiös begründet hat und meinen, dass sein Judenhass von einer „spezifischen Theologie“ getrieben war.

Wissenschaftler*innen erkannten schon vor Jahrzehnten an, dass der durch das Christentum jahrhundertlang kulturell imprägnierte Antisemitismus zwar nicht als maßgebliche Ursache für den Holocaust bewertet werden könnte, dieser „alte Antisemitismus“ aber einen fruchtbaren Nährboden für den neuen Antisemitismus des NS-Regimes geboten hatte.2 Doris L. Bergen: Catholics, Protestants, and Christian Antisemitism in Nazi Germany, Cambridge University Press, 1994 https://www.jstor.org/stable/4546438

Katholische Bischöfe in der NS-Zeit: „Ich würde es Kriegsbeihilfe nennen“ – Peter Bürger, Herausgeber von Predigten aus der NS-Zeit, sagt: „Die Kirchenspitze hat die Kriegsideologie gestützt“. Zum Interview auf deutschlandfunk.de…

Die ideologische Stoßrichtung von Bischof Meiers Äußerung liegt auf der Hand – sie richtet sich wie schon bei seinen Vorgängern gegen den heutigen Teil unserer Gesellschaft, der ein Leben ohne religiösen Glauben führt. Und das wird von der öffentlichen Hand bis heute gut bezahlt: „Pauschale Zahlungen für den Personalaufwand der sieben bayerischen (Erz-)Diözesen einschließlich Abwicklung der Jahresrenten der Erzbischöfe und Bischöfe“ des Landes Bayern allein belaufen sich in diesem Jahr auf 13,6 Millionen Euro. Insgesamt summieren sich die Titel im Landeshaushalt zugunsten der Kirche derzeit auf einen Betrag von 77,34 Millionen Euro.

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