Gläserne Wände - Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland

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„Historisches Urteil“ in Großbritannien: Humanist darf über Religionsunterricht mitentscheiden

23. Juni 2023

High Court of Justice in London, Image by David Castor, CC0, via Wikimedia Commons

In einer wegweisenden Entscheidung hat der High Court in England geurteilt, dass der Humanist Steven Bowen als vollwertiges Mitglied in einen Beirat für Religionspädagogik aufgenommen werden muss.

Der Antragsteller, unterstützt von den Humanists UK, hatte in der Grafschaft Kent im Südosten Englands zuvor bereits zwei Anträge gestellt, Mitglied des dortigen „Standing Advisory Council for Religious Education“ (SACRE) zu werden. Obwohl in Großbritannien Humanist*innen bereits in 66 SACRE-Räten als stimmberechtigte Mitglieder vertreten sind, war Bowens Antrag aufgrund seiner fehlenden Religionszugehörigkeit abgelehnt worden, nur als Beobachter ohne Stimmrecht wurde ihm die Teilnahme gestattet. Die ständigen Beiräte für Religionspädagogik sind in Großbritannien für die Entwicklung des Lehrplans für den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zuständig.

Die Richter des High Courts argumentierten nun, dass Bowens Ausschluss nicht rechtens war und ohne „jegliche vernünftige Grundlage“ vollzogen wurde und stützten sich in ihrem Urteil auch auf die Europäische Menschenrechts- konvention. Die Aufnahme eines humanistischen Vertreters sei sogar eine wichtige Maßnahme, um zu gewährleisten, dass die religiöse Bildung in England repräsentativ und inklusiv bleibt.

Auf über 30 Seiten begründet das Gericht, dass ein Lehrplan über religiöse Erziehung eben auch Inhalte über nichtreligiöse Weltanschauungen enthalten muss. Deshalb sei es diskriminierend, keine humanistischen Vertreter*innen in dem Beirat zuzulassen. Des Weiteren stellt das Urteil klar, dass Humanismus umgangssprachlich zwar nicht als Religion betrachtet werde, dennoch verpflichte die Formulierung „andere Religionen“, dies im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention diskriminierungsfrei und neutral zu interpretieren. Das bedeutet, dass eine humanistische Weltanschauung zwar nicht als Konfession oder Religion gilt, aber Humanist*innen dennoch genau dieselben Rechte und Pflichten besitzen wie religiöse Menschen.

Die Entscheidung des Gerichts ist ein wichtiger Meilenstein für die humanistische Bewegung: Andrew Copson, Geschäftsführer der Humanists UK und Präsident der Humanists International hat die Entscheidung als „historisches Urteil“ begrüßt und betont, wie wichtig es sei, dass auch religiöse Minderheiten und Weltanschauungsgemeinschaften in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

„I’m thrilled with the judgment – the impact of which will be far reaching. While 40% of these committees already have a humanist as a full member, there has for many years been uncertainty, as it fell to each local authority to make its own decision on the interpretation of the law. The Court has now given its verdict, and has very clearly agreed with what we have always believed to be the case since the Human Rights Act came into force.“ (Andrew Copson)

Für Deutschland könnte dieses Urteil ebenfalls richtungsweisenden Charakter haben, denn hierzulande findet diese konsequente Gleichbehandlung als Umsetzung der Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention ebenso wenig Beachtung in der Gesetzgebung wie auch in der Anwendung.

Verschiedene Bildungsexperten und Pädagogen haben das Urteil aus England bereits begrüßt, sie sehen sich dadurch in ihren Forderungen bestärkt, den Religionsunterricht und Beteiligung nichtreligiöser Vertreter in bestimmten Gruppen und Gremien zu überdenken und zu modernisieren, um einerseits den Bedürfnissen und Ansichten aller Schülerinnen und Schüler und andererseits der Veränderung der gesellschaftlichen Realitäten gerecht zu werden.