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Kommentar

Ist der Humanismus ein Aberglaube?

Diese Frage ist ein aktuell diskutiertes Thema bei gutefrage.net, laut Selbstdarstellung die „größte Frage-Antwort-Plattform“ in Deutschland.

Diese Frage ist ein aktuell diskutiertes Thema bei gutefrage.net, laut Selbstdarstellung die „größte Frage-Antwort-Plattform“ in Deutschland. Einige Meinungen dazu aus der Community sind ziemlich erschreckend. Doch eine Antwort gibt viel Anlass zur Hoffnung.

Humanismus: ein Wort, ein Begriff, viele Bedeutungen, Deutungen und ebenso viele Miss- wie Begriffsverständnisse. „Ist der Humanismus ein Aberglaube“, fragte nun vor kurzem User*in Rakey269 bei gutefrage.net. Das ist ein vielbesuchtes Online-Forum für jedes denkbare und bisher noch ungedachte Thema, ungefähr so etwas wie reddit.com.

Rakey269 zitierte dort den Journalisten Alan Posener aus einem Text bei „Welt Online“ aus dem Jahr 2010:

„Der liberale Humanismus verfügt heute über so weitreichende Macht wie einst die Offenbarungsreligionen“, behauptet er [der britische Philosoph John Gray]. Ja, der Humanismus und dessen Fortschrittsglaube sei die moderne Variante des Christentums, wie schon Schopenhauer und Nietzsche wussten. „Humanisten bilden sich gern ein, ihre Sicht der Welt sei rational. Doch ihre Grundüberzeugung, die Geschichte der Menschheit sei eine Fortschrittsgeschichte, beruht auf einem Aberglauben und ist weiter von der Wahrheit entfernt als jede Religion.“

Verfasst wurde der Text mit dem Titel „Besser wär‘s, der Mensch verschwinde“ 2010 vom ehemaligen Welt-Chefkommentator Posener, als Rezension zum Buch „Von Menschen und anderen Tieren. Abschied vom Humanismus“, geschrieben vom britischen Philosophen John Gray.

Die ersten Antworten auf die Frage von Rakey269 sind mit Blick auf die jahrhundertelang kulturell tief imprägnierte Propaganda der großen christlichen Kirchen sowie ihrer politischen Arme gegen humanistisches und nicht-religiöses Denken und den Widerstand gegen eine entsprechende Allgemeinbildung zum Beispiel im Schulwesen wenig überraschend.

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„Der Humanismus ist ähnlich zum Kommunismus. Er wollte immer ein Gegenbild zur Religion sein. Er war Antireligiös. Der Kommunismus wusste selbst nie um seine spirituelle und fesselnde Wirkung bei den Menschen.

(…) Ich sehe aber nicht inwieweit der Humanismus die Selbstzersetzung des Geistes verhindern wollte. Bisher ist jede Zivilisation daran zugrunde gegangen.“

„Der Humanismus ist ein Glaube welcher ausblendet das die Natur stets survival of the fittest ist. In der Natur werden nur die mit den besten Genen, die Überlebensfähigen überleben“

Es ist aktuell unklar, ob User*in Rekay269 mit Äußerungen wie diesen eine befriedigende Antwort erhalten hat. Viel aufklärende Informationen und Fakten erhielt sie oder er durch diese ersten Rückmeldungen jedenfalls nicht – im Gegenteil. In der mit der Diskussion verbundenen Ja-oder-Nein-Abstimmung stimmte schließlich auch bisher ein überwiegender Teil der Eingangsfrage zu und meinte somit, Humanismus sei ein Aberglaube.

Doch ob nun Humanismus, Alevismus, Ubuntu, Konfuzianismus. In allen Teilen der Welt hat es zu jeder Zeit Philosophien und Weltanschauungen gegeben, die gemeinsam solche Haltungen und Werte in den Mittelpunkt stellten: Humanität, Gerechtigkeit, Weisheit, Freiheit, Selbstbestimmtheit und Solidarität. Mit einer engen Orientierung an rationalen Überlegungen und einer engen Beziehung zu den Wissenschaften und deren Erkenntnissen. In der neuesten Deklaration der Humanists International heißt es hierzu:

„Wir sind überzeugt, dass die Lösungen für die Probleme der Welt in der menschlichen Vernunft und im menschlichen Handeln liegen. Wir befürworten die Anwendung von Wissenschaft und freier Forschung auf diese Probleme, wobei wir daran denken, dass die Wissenschaft zwar die Mittel bereitstellt, die menschlichen Werte aber die Ziele definieren müssen.“

Der moderne, nicht religiöse Humanismus ist eine vergleichsweise junge Geistes- und Ideentradition. Die aber eben viele ideengeschichtliche und philosophische Vorläufer bzw. Quellen hat, die älter sind als beispielsweise Christentum und Islam.

Und ähnlich wie die Deklaration beschreibt es schließlich auch User Christian3684, der Humanismus nicht als Aberglauben verstanden sehen möchte. Einleitend schreibt er:

„Humanismus bedeutet Menschlichkeit und im Vordergrund steht die Würde des Menschen und soweit als möglich die Gewaltlosigkeit. Und auch die geistige Weiterbildung.“

Anschließend unterscheidet er ihn von einem idealisierenden, euphorischen und unkritischen Fortschrittsglauben, wie er in vergangenen Jahrhunderten mitunter tatsächlich verbreitet war und wurde.

Er schreibt auch:

„Es wäre falsch die Wissenschaft kategorisch abzulehnen, weil sie trotz negativer Auswirkungen auch viel Positives den Menschen gebracht hat. Und deshalb auch nichts mit dem Aberglauben zu tun hat. Wo man dabei ist Dinge zu korrigieren oder zu ändern. Wo wiederum die Wissenschaft dazu beitragen kann und wird den ökologischen Anforderungen gerecht zu werden. Was natürlich seine Zeit brauchen wird.

Und betont abschließend:

Schließlich hat sie dazu beigetragen viele Aspekte des Aberglaubens zu beseitigen, in denen die Menschen früher aufgrund ihrer Unwissenheit gefangen gewesen sind. Denn es wäre fatal wieder in diese Vergangenheit zurück zu fallen!“

Da bleibt eigentlich nur noch zu sagen: Danke, Christian3684, du kämpfst für das Richtige an einer wichtigen Frontlinie in den Weiten des Internet!

Doch schlussendlich, auch ein Blick nach nebenan zu reddit.com legt nahe, dass gutefrage.net nicht die einzige bei diesem Thema bleiben könnte. Seit fast einem Jahr gibt es dort nämlich auch /r/Humanismus, angelegt von Nutzer*in Hunny86, und laut Beschreibung des Subreddits inspiriert vom humanistisch-aufklärerisch gesinnten Philosophen, Juristen und Freimaurer Adam Weishaupt, später u. a.  auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bisher ist es dort allerdings noch sehr ruhig.

Der Autor dieses Berichts über die Untiefen des digitalen Kosmos kann sich allerdings gerade nicht entscheiden, ob er das eher bedauerlich oder eher erfreulich findet. Wer jedenfalls User*in Rakey269 auf der Suche nach Aufklärung und Wahrheit helfen möchte, kann das immer noch hier tun.

Eine Sammlung repräsentativer Dokumente mit grundlegenden Aussagen über den modernen Humanismus aus Deutschland und aller Welt gibt es übrigens auf docs.humanistisch.net. Die Website kann für Interessierte keinesfalls die Fülle und Vielfalt der realen Menge an Schriften in der Tradition eines authentischen humanistischen Denkens ersetzen, bietet aber für Einsteiger*innen einen ersten Überblick und grundlegende Informationen. Wer darüber hinaus eine intensivere Einführung aus qualifizierter Hand sucht, findet diese auf der Website so-geht-humanismus.de

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