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Lach doch mal!

Gibt es einen humanistischen Witz? Marco Schrage macht sich auf die Suche, stößt auf humoristische Abgründe und schöpft Mut aus bunten Fantasywelten.

Gibt es einen humanistischen Witz? Über eine schwierige Suche, humoristische Abgründe und Mut machende Fantasywelten.

Aus einem Lächeln kann schnell eine Grimasse werden.

Man sagt sozialen Netzwerken gerne nach, dass Menschen dort im Grunde nichts Neues lernten. Wer sich eine Weile dort bewegt, heißt es, wer sich zu diesen Themen äußert und jene Werbung anklickt, bekommt vor allem das angezeigt, was einem ohnehin schon gefällt. Echokammer-Effekt nennt man das dann. Feeds auf Social Media sind demzufolge vor allem der Widerhall des eigenen Selbst. Zufallsbegegnungen und überraschende Erkenntnisse, für all das mag es den jeweils passenden Ort geben, nur auf Facebook und Co. finde man den eben nicht.

Sie, liebe*r Leser*in, dürfen deshalb also ruhig über meine persönlichen Vorlieben spekulieren, wenn ich Ihnen jetzt erzähle, dass in meinen Facebook-Feed kürzlich das recht kuriose Video eines fast 100-jährigen US-Amerikaners gespült wurde. Dieser Mann, etwas füllig und leicht lispelnd, erzählte einen Witz.

Der allein wäre – es ist eine anzügliche kleine Geschichte über einen jüdischen Varieté-Künstler in Kansas City, der mit einem bestimmten und ungewöhnlich großen Körperteil Walnüsse zertrümmert – nun nicht weiter der Rede wert, würde er nicht von einem interessanten Kommentar begleitet: „Für mich verkörpert er [der Witz, Anm. d. A.] alles, was man von einem ‚jüdischen‘ Witz erwartet“, stand da. Und weiter: „Er schafft es, das Gefühl der Besonderheit, des Andersseins mit dem Elan eines übergroßen und ungewöhnlichen Talents zu kombinieren, und untergräbt das Ganze noch durch eine unerwartete Schwäche.“

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Auf der Suche

Es waren nur diese zwei Sätze, die mich, als ob sie alles eingangs Erwähnte Lügen strafen wollten, tatsächlich auf neue Ideen brachten. In dieser Kürze sehr prägnant und klar definierten sie nämlich, was „jüdischen“ Witz ausmachen könnte.

Vor allem aber, und da wurde es für mich interessant, weil ich mich für unsere Zeitschrift schon mit humanistischem Humor zu beschäftigen begann, warfen sie die Frage auf, ob sich Ähnliches auch über humanistischen Witz sagen, ob auch er sich in dieser Kürze typisieren und beschreiben ließe. Und wenn: Wie sähe ein humanistischer Witz dann aus? Ich begann zu suchen.

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Gläserne Wände - Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland

Um das Ergebnis meiner Suche vorwegzunehmen: Fündig geworden bin ich nicht so richtig. Weder wurden über humanistischen Humor Bücher geschrieben – über jüdischen oder jiddischen Witz hingegen sind es mehr als ich zählen kann –, noch gibt es in sozialen Netzwerken, wo Menschen einander sogar „deutsche Witze“ erzählen (sie sind nicht lustig und drehen sich oft um Autos), Seiten oder Gruppen, die sich einem wie auch immer gearteten humanistischen Witz widmen würden. Humor und Humanismus, so mag es scheinen, gehören einfach nicht zusammen. Sie tun es in gewisser Weise natürlich sehr wohl, nur in einer viel weniger augenfälligen Art und Weise.

Witz und Aggression

Vielleicht liegt es daran, dass humanistische Themen so schwer sind und in Deutschland in aller Regel ebenso wenig über solche Themen gelacht wird wie wissenschaftliche Arbeiten in einer allgemeinverständlichen Sprache geschrieben sein dürfen – das wichtige Anliegen wäre diskreditiert und die Abhandlung unwissenschaftlich.

Wo man sonst sich von göttlichen Autoritäten verabschiedet hat, hält man doch den heiligen Ernst in Ehren. Selbstironie oder Albernheiten verbieten sich geradezu. Oft ist im organisierten Humanismus hierzulande von hohen Werten die Rede, von Menschenwürde, Gleichberechtigung, Toleranz und Vernunft zum Beispiel. Sie alle sind wichtig, keine Frage, doch von Humor spricht fast niemand.

Es ist jetzt fast drei Jahre her, ich war gerade am zweiten Abend des HumanistenTag 2018 in Nürnberg im Einsatz, da kündigte ich, die Begleitung von Events auf sozialen Medien gehört mittlerweile ja zum guten Ton der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, den Auftritt des Kabarettisten Vince Ebert mit einem Tweet an. „Vince Ebert eröffnet den Humoristentag 2018“, behauptete ich da, in aller gebotenen Kürze, schon müde von einem langen Tag und sicher nicht mathematisch präzise.

Zugegeben, ich habe schon bessere Witze in meinem Leben gemacht als in dieser spezifischen Situation (es waren nicht viele, aber immerhin), und doch schien mir die Antwort, die ich wenig später auf meinen Wortwitzversuch erhielt, so unangemessen wie bezeichnend: „Vince Ebert hat den Humanistentag nicht eröffnet, das war gestern Abend Prof. Heiner Bielefeldt. Ebert hat den heutigen Tag mit seiner Kabarett-Vorstellung ausklingen lassen. Seid Ihr eigentlich bei Eurer eigenen Veranstaltung dabei??“

Der Kabarettist Vince Ebert trat auf dem HumanistenTag 2018 auf und war damit Anlass für einen Wortwitz. Foto: © Frank Eidel

Klar, der User, der mir nach etwa drei Stunden antwortete, hatte ja recht. Vince Ebert hatte den Humanistentag nicht eröffnet. Nun wurde das in dem Tweet auch gar nicht behauptet, doch sollen derlei Textdiskussionen das Thema hier nicht sein. Bezeichnend scheint mir eher der belehrende bis zurechtweisende Ton der Antwort, der in der sogenannten säkularen Szene oft auch dann angeschlagen wird, wenn es tatsächlich einmal witzig werden soll.

Denn merke: Witze in der sogenannten säkularen Szene richten sich – und hier unterscheiden sie sich vom jüdischen Witz – so gut wie nie gegen sich selbst. Eher neigen sie, wie schon Sebastian Rothlauf in seinem Editorial für die Aprilausgabe unseres Magazins humanistisch! richtig bemerkt, zu einer zynischen Arroganz, die vor allem über die Unzulänglichkeiten anderer lacht. Ihr beliebtestes Ziel: Kirchen und Gläubige, wobei letztere immer wieder mit dem Kampfbegriff „Religioten“ belegt werden. Karikaturen kursieren in atheistischen Foren, der Humanistische Pressedienst hat sogar eine Rubrik für sie eingerichtet, von der er ehrlicherweise gar nicht erst behauptet, sie sei unbedingt witzig. Er nennt sie nur „Spott sei Dank“.

Wenigstens ein Kunstpreis wird in Deutschland für (vorgeblich) humanistischen Witz vergeben. Preiswürdig soll demnach sein, wer sich „ohne Schere im Kopf mit den sog. ewig währenden Wahrheiten und Autoritäten“ auseinandersetzt, doch man ahnt schon: Viel mehr als die nimmermüde Variation des Immergleichen, die Verächtlichmachung von Menschen nämlich, die man für weniger aufgeklärt hält als sich selbst, wird nicht geboten. Es ist ein Elend.


„Evolutionsbiologisch liegen das Lachen und das Zähnefletschen ohnehin nicht so weit auseinander. Die Grenzen zur aggressiven Drohgebärde sind fließend.“

Platon und Aristoteles setzten, wie später übrigens auch Thomas Hobbes, dessen schrecklich wölfischer Philosophie ein paar Pointen nur gut getan hätten, Humor und Schadenfreude in eins. In ihrer pessimistischen Sicht auf den Menschen war Lachen meist nur Ausdruck gefühlter Überlegenheit. Wer lachte, tat dies über die Missgeschicke anderer, in der tiefen Überzeugung, es besser zu wissen oder besser zu können, mithin besser dran zu sein als die armen Teufel, über die man sich erhebt.

Kein Wunder also, dass Humor für die alten griechischen Philosophen, mit den Worten der Psychologin Marion Bönsch-Kauke, nicht weniger als ein „Inbegriff des Bösen im Menschen“ war und damit sicherlich nichts, womit man sich schmückte. Evolutionsbiologisch liegen das Lachen und das Zähnefletschen ohnehin nicht so weit auseinander. Die Grenzen zur aggressiven Drohgebärde sind fließend.

Humanistisch lachen

Diese Sicht auf den Humor ist freilich arg verkürzt, und doch nicht völlig falsch. Es gäbe keinen Grund, über Antisemitismus im Kabarett oder frauenfeindliche Witze unter Showmastern zu diskutieren, wenn nicht unablässig der Stoff dafür geliefert würde. Manche Witze wollen verletzen und erfüllen gar keinen anderen psychologischen Zweck als denjenigen, die schon Platon und Aristoteles beschrieben und der sie ihrerseits mit einer gewissen Abscheu auf Humor blicken ließ. Es ist insofern die eher abgründige Seite des Humors, die sich auch in den erwähnten Karikaturrubriken auf humanistischen Seiten auftut.

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Und dennoch: Es wäre falsch, Humanismus humorlos zu nennen. Gerade der britische Humanismus hat Persönlichkeiten hervorgebracht, die beweisen, wie hintergründig gewitzt und urkomisch Humanismus sein kann. Denken wir nur an Terry Pratchett und seine von Schildkröten getragenen Scheibenwelten. Oder erinnern wir uns Stephen Fry mit seiner Ode an den Kakapo. Oder an Douglas Adams, der nicht nur überbordende Bürokratie auf die Schippe nahm, sondern dabei auch noch so lustig über vogonische Dichtkunst und das kurze Leben eines Pottwals schrieb.

Ja, es gibt ihn, den humanistischen Witz, in dem letztlich all das eine Rolle spielt, was für eine humanistische Lebenseinstellung wichtig ist: Menschlichkeit und Respekt für seine Umwelt, wissenschaftliche Neugier und Toleranz. Nicht zu unterschätzen ist schließlich, wie wichtig Humor für ein gelingendes Zusammenleben sein kann. Wie der Comedian Robin Ince betont, kann gerade Humor das Vehikel sein, auch über belastende oder gar traumatische Erfahrungen zu sprechen, über die sonst geschwiegen würde.

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Ob der Witz, über den man letztlich ins Gespräch kommt, von seinem Inhalt her ausdrücklich humanistisch ist, ist dabei gar nicht so sehr von Belang. Entscheidend ist, ob er den humanistischen Zweck erfüllt: Hilft er uns, miteinander zu sprechen? Bringt er uns näher, lindert er unsere Sorgen und macht unseren Tag besser? Dann wird dieser Witz als humanistisch gelten dürfen.

Leider wird dieser humanistische Humor mitunter von dem aggressiven Gebell gegen Religion übertönt, der einem in als humanistisch bezeichneten Kreisen noch unterkommt. Doch das muss ja nicht so bleiben. Was meinen Sie, sollten wir nicht endlich auch auf Facebook über humanistischen Witz diskutieren? Es wäre an der Zeit.

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2 Kommentare

2 Kommentare

  1. Hartmut Pfüller

    21. April 2021 at 8:57

    Ein Atheist wird von einem Bären verfolgt und zu Boden gerissen. Blitzartig hat er die Vision, dass Gott ihm vielleicht noch helfen könnte, es aber wegen seines Unglaubens nicht tut. Sein letzter Gedanke ist, ob es möglich wäre, den Bären zu bekehren. Da brummelt der Bär: “Lieber Herr Jesus, sei mein Gast und segne, was Du mir bescheret hast.”

  2. Pingback: “Wir nehmen alle!” – humanistisch!net

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