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Aus aller Welt

US-Spitzenforscher*innen rufen zu evidenzbasierter Politik auf

Eindringlicher Appell nach vier Jahren Trump-Regierung und über einer Viertelmillion Covid-19-Toten: „Lassen Sie uns gemeinsam darauf bestehen, logisch und rational zu handeln in einer Welt, die so sehr von egozentrischen, kurzfristigen Zielen und von falschen Informationen geplagt ist“

Eindringlicher Appell nach vier Jahren Trump-Regierung und über einer Viertelmillion Covid-19-Toten: „Lassen Sie uns gemeinsam darauf bestehen, logisch und rational zu handeln in einer Welt, die so sehr von egozentrischen, kurzfristigen Zielen und von falschen Informationen geplagt ist“

Seit den Anfängen der COVID-19-Pandemie hatten führende Wissenschaftler*innen in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern wiederholt ihre Frustration über das Fehlen einer informierten und vernünftigen Reaktion der US-Regierung auf die Pandemie zum Ausdruck gebracht. Derzeit gibt es dort mehr als 15 Millionen registrierte Infektionen, über eine Viertelmillion US-Bürger*innen sind bisher im Zusammenhang mit der Pandemie gestorben.

Der amtierende und ehemalige Präsident*innen des American Institute of Biological Sciences haben nun in der Fachzeitschrift „BioScience“ einen Appell für die Wiederbelebung einer rationalen Politik und eines Regierungshandelns, das sich am Primat der Prüfung anhand solider wissenschaftlicher Erkenntnisse orientieren soll, veröffentlicht.

Der Appell im Originalton verlesen von den AIBS-Präsident*innen


Die Autor*innen nennen in ihrem Appell die Angriffe von Politiker*innen und Interessengruppen „auf die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Steuerung allgemeiner politischer Entscheidungen alarmierend und gefährlich.“ Die bisherige Marginalisierung von wissenschaftlichen Informationen bei der Entscheidungsfindung habe „erhebliche negative Auswirkungen auf unsere öffentliche Gesundheit und Sicherheit, unsere ökologische Nachhaltigkeit und unser allgemeines Wohlbefinden“, heißt es weiter.

Das 1949 zunächst als Teil der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA gegründete gemeinnützige Institut stehe „seit langem für den Einsatz der Wissenschaft zur Förderung fundierter Entscheidungen auf der Grundlage der besten verfügbaren Erkenntnisse. Wir haben dazu beigetragen, neue Ressourcen für Wissenschaft und Bildung zu sichern, antiwissenschaftliche Initiativen zu vereiteln und die Integrität bei der Nutzung wissenschaftlicher Informationen für Entscheidungen zur Forschungsfinanzierung zu fördern“, schreiben die Autor*innen. Darüber hinaus betonen sie, wie wichtig es ist, die Wissenschaft an einen Tisch zu bringen, um eine besser informierte Öffentlichkeit zu fördern, welche Entscheidungen auf der Grundlage überprüfter Informationen trifft, anstatt „Ratschläge, von wem auch immer sie zu diesem Zeitpunkt vertrauen, zu übernehmen“.

„Die Wissenschaft sagt uns nicht, welche konkreten Schritte zu unternehmen sind, um ein bestimmtes Problem anzugehen, aber sie liefert Informationen mit einem gewissen Grad an Sicherheit, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden sollten“, betont der Appell.

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„Politische Entscheidungsträger müssen verstehen, wie die Wissenschaft zur Lösung von Problemen genutzt werden kann. Der wissenschaftliche Prozess besteht in der Konstruktion und Prüfung von Hypothesen. Hypothesen sind plausible Erklärungen auf der Grundlage verfügbarer Informationen, die durch das Sammeln und Analysieren geeigneter Daten gewonnen werden. Diese Informationen unterliegen selbst einer strengen internen Überprüfung durch (oft) anonyme Spezialisten, bevor sie als zuverlässig eingestuft werden. Selbst dann akzeptiert die Wissenschaftsgemeinschaft die Hypothese erst dann, wenn die Daten unabhängig verifiziert wurden und unabhängige Untersuchungen die Schlussfolgerungen bestätigt haben. Die Wissenschaft spezifiziert jedoch keine bestimmte Aktion. Der Internationale Ausschuss für Klimaveränderungen zum Beispiel schreibt keine Maßnahmen vor, sondern bewertet die Wahrscheinlichkeit, dass verschiedene Maßnahmen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Praktisch alle Wissenschaftler sind sich darin einig, dass der Klimawandel eine Realität ist, aber dass eine Einigung keine konkreten Maßnahmen vorschreibt. Stattdessen sollten die Schlussfolgerungen rational in Entscheidungen einfließen, die auf der Wahrscheinlichkeit beruhen, dass der Klimawandel eintritt.“

„Die Wissenschaft gibt uns die Mittel, aber menschliche Werte müssen die Ziele vorgeben“
– aus der Amsterdam-Deklaration 2002

Der amtierende und die ehemaligen Präsidenten der AIBS heben den Erfolg dieser wissenschaftlichen Ansätze bei der Bewältigung von großen Herausforderungen in früheren Jahrzehnten hervor. Sie erinnern beispielsweise an die Entdeckung des sauren Regens und dessen Auswirkungen auf die Umwelt. Dies führte 1990 zur Verabschiedung einer Novelle des Clean Air Act, in dessen Folge es eine Verringerung der Umweltschäden durch zurückgehende Emissionen von Schwefel- und Stickoxiden kam.

„Gegenwärtig sind wir mit einer globalen Katastrophe, der COVID-19-Pandemie, konfrontiert, die zum Teil mit Schritten bekämpft wird, die auf den Erkenntnissen von Epidemiologen, Virologen und Forschern aus vielen anderen Bereichen beruhen und die die heldenhaften Bemühungen der medizinischen Fachkräfte weltweit begleitet haben. Leider haben diejenigen, die wollen, dass die Öffentlichkeit glaubt, es gebe kein Problem, unsere Reaktion verlangsamt und ihre Wirksamkeit eingeschränkt. Das Erreichen einer Herdenimmunität, eine Strategie, die das Auftreten weit verbreiteter Infektionen voraussetzt, ist unter den Mitgliedern der Coronavirus-Taskforce von Präsident Trump im Weißen Haus aufgetaucht. Die meisten Experten auf diesem Gebiet sind mit diesem Ansatz nicht einverstanden, aber die politischen Entscheidungsträger haben keine wirklichen Anstrengungen unternommen, um die Beweise auszuwerten und möglichst wirksame Schritte zu unternehmen. Stattdessen stützten sich ihre Argumente auf die Erzielung spezifischer theoretischer Ergebnisse und ignorierten weitgehend die Ursache des Problems: die Verbreitung durch den Kontakt von Mensch zu Mensch. Infolgedessen wurde die Öffentlichkeit zu der Annahme verleitet, dass ein Vorschlag entweder richtig oder falsch ist und dass sie sich zwischen alternativen Ansichten auf der Grundlage des Rates derjenigen Person, der sie zu diesem Zeitpunkt vertrauen, entscheiden sollten, und nicht auf Grundlage der sich weiterentwickelnden Informationen, die zur Verfügung gestellt werden.“

Die Einbeziehung der Wissenschaften und solider wissenschaftlicher Erkenntnisse in das politische Handeln ist für die Forscher*innen nicht nur bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie unverzichtbar. „Damit unsere Gesellschaft in der komplexen modernen Welt überleben kann, müssen wir uns alle zusammenschließen, um die bestmögliche Wissenschaft zu fördern, sie zur Bewältigung der Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu nutzen und die politischen Entscheidungsträger aufzufordern, auf die besten Informationen, die die Wissenschaftler liefern, zu hören und danach zu handeln. Dieses Vorgehen wird uns in die Lage versetzen, die Ausbreitung von COVID-19, die katastrophale Störung des Weltklimas, die Vergiftung von Land, Luft und Wasser auf der ganzen Welt und das Aussterben eines Großteils der biologischen Vielfalt, von der wir letztlich für unser Überleben abhängen, einzudämmen.“

Der Appell im Originalton verlesen von den AIBS-Präsident*innen


Abschließend heißt es im Appell: „Der Fortschritt der Wissenschaft im Laufe der Jahrhunderte hat zu unserem tiefen Verständnis von Naturphänomenen geführt. Wir müssen Wege finden, von diesem Verständnis auf unserem Weg in die Zukunft zu profitieren. Lassen Sie uns gemeinsam darauf bestehen, logisch und rational zu handeln in einer Welt, die so sehr von egozentrischen, kurzfristigen Zielen geplagt ist und von falschen Informationen, die durch diese nur allzu oft hervorgebracht werden.“

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