Wissenschaft und Forschung
UN-Klimaziele sind ökonomisch sinnvoll: Echter Klimaschutz zahlt sich aus
Klimaschutz ist nicht billig – aber Klimaschäden sind es auch nicht. Wie viel Klimaschutz ist also wirtschaftlich gesehen am sinnvollsten? Diese Frage hat Ökonom*innen jahrzehntelang beschäftigt. Insbesondere seit dem Wirtschaftsnobelpreis 2018 für William Nordhaus, dessen Berechnungen nach eine massive Erwärmung um 3,5 Grad bis 2100 ein ökonomisch wünschenswertes Ergebnis sei.
Klimaschutz ist nicht billig – aber Klimaschäden sind es auch nicht. Eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sieht einen CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne als erforderlich, viermal mehr als von der Bundesregierung geplant.
Wie viel Klimaschutz ist wirtschaftlich gesehen am sinnvollsten? Diese Frage hat Ökonom*innen jahrzehntelang beschäftigt. Insbesondere seit dem Wirtschaftsnobelpreis 2018 für William Nordhaus, nach dessen Berechnungen eine massive Erwärmung um 3,5 Grad bis 2100 ein ökonomisch wünschenswertes Ergebnis sei.
Jener Tag, an dem der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) im Auftrag der UNO seinen sogenannten 1,5-Grad-Bericht veröffentlichte, war auch der Tag, an dem William Nordhaus den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften „für die Integration des Klimawandels in die langfristige makroökonomische Analyse“ erhielt.
Konkret gelang ihm das mittels einer Computersimulation, seinem sehr einflussreichen „Dynamic Integrated Climate-Economy model“ (DICE-Modell). Im Pariser Abkommen der UNO wurde vereinbart, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, um Klimarisiken einzudämmen. Nordhaus‘ Zahlen deuteten auf 3,5 Grad als eine gleichsam wirtschaftlich optimale Erwärmung bis zum Jahr 2100 hin.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hat nun die Computersimulation, die zu diesem Schluss führte, mit den neuesten Daten und Erkenntnissen aus Klima- und Wirtschaftswissenschaften aktualisiert. Dabei stellten sie fest, dass die Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad ein ökonomisch optimales Gleichgewicht zwischen künftigen Klimaschäden und den heutigen Kosten für den Klimaschutz herstellt. Das würde einen CO2-Preis von mehr als 100 US-Dollar pro Tonne erfordern. Die Bundesregierung hat den CO2-Preis ab 2021 vor kurzem auf 25 Euro pro Tonne festgelegt.
Die in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlichte Studie bietet eine Aktualisierung, die helfen kann, die Perspektiven in Einklang zu bringen. „Im Wesentlichen haben wir das Nordhaus-Modell aufgeschnürt, gründlich überprüft und einige wichtige Aktualisierungen vorgenommen, die auf den neuesten Erkenntnissen der Klimawissenschaft und Wirtschaftsanalyse basieren“, erklärt Martin Hänsel, Hauptautor der Studie und Forscher am PIK. „Wir haben festgestellt, dass die Ergebnisse der aktualisierten Version tatsächlich in guter Übereinstimmung mit der Pariser 2-Grad-Grenze für die globale Erwärmung stehen“, sagt Hänsel.
Die Aktualisierungen umfassen ein akkurateres Kohlenstoffkreislaufmodell, eine neue Gewichtung des Temperaturmodells, eine angepasste Schadensfunktion, und neue Erkenntnisse über die normativen Annahmen des Modells. Diese zeigen sich konkret bei der Frage, wie eine gerechte Verteilung von Wohlstand zwischen heutigen und zukünftigen Generationen gestaltet werden sollte, die den Klimawandel berücksichtigt – ausgedrückt in der so genannten sozialen Diskontrate. Deren Aktualisierung basiert auf einer breiten Palette von Expert*innen-Empfehlungen zur Generationengerechtigkeit. Ergänzt wird dies durch angepasste Annahmen in Bezug auf die Emissionen von anderen Treibhausgasen zusätzlich zum CO2, Technologien zu negativen Emissionen (also dem Herausholen von CO2 aus der Atmosphäre), und wie zügig eine Abkehr von einer kohlenstoffbasierten Wirtschaft erreicht werden kann.
Die Schadensfunktion: Wie schlimm wird es?
Die Schadensfunktion beurteilt, wie stark sich künftige Klimaveränderungen auf die Weltwirtschaft auswirken werden. Co-Autor Thomas Sterner, Professor an der Universität Göteborg, erklärt: „Die standardmäßige Schadensfunktion im DICE-Modell hat eine Reihe von methodischen Mängeln. Unsere Analyse baut auf einer kürzlich durchgeführten Meta-Analyse auf, in der wir diese Mängel beheben. Infolgedessen finden wir höhere Schäden als im Standard-DICE-Modell. Allein nach dem, was wir in den letzten zehn Jahren gesehen haben, ist die Annahme hoher klimabedingter wirtschaftlicher Schäden leider realistisch“, so Sterner.
Die soziale Diskontrate: Wie viel zählt sie?
Darüber hinaus schaut die Studie auch auf das, was manchmal als die normative „Black Box“ wahrgenommen wird: Wie oft in der Wirtschaftswissenschaft enthält das, was wie eine nüchterne mathematische Funktion aussieht, eine Reihe normativer Annahmen. Die so genannte „soziale Diskontrate“ ist ein solcher Fall. Sie gibt an, wie wir das zukünftige Wohlergehen unserer Kinder und Enkelkinder bewerten – eine grundlegend moralische Frage.
„Die Klimaauswirkungen unserer Emissionen reichen weit in zukünftige Generationen hinein. Um diese langfristigen Folgen angemessen bewerten zu können, müssen wir unterschiedliche Ansichten darüber berücksichtigen, wie wir einen Ausgleich zwischen den Interessen heutiger und zukünftiger Generationen schaffen können“, erklärt Moritz Drupp, Co-Autor und Professor am Exzellenzcluster Klima, Klimawandel und Gesellschaft der Universität Hamburg. Erstmals enthält die Studie eine repräsentative Auswahl von Empfehlungen von mehr als 170 Expert*innen zu den normativen Annahmen der sozialen Diskontrate. Drupp: „Unser aktualisiertes Modell zeigt, dass das 2-Grad-Ziel nach den von der Mehrheit der Experten vorgeschlagenen sozialen Diskontraten ökonomisch optimal ist.“
Der richtige Preis für CO2: Mindestens 100 Euro pro Tonne
Die Änderungen am Modell, insbesondere die Neubewertung der sozialen Diskontrate zugunsten des Wohlergehens künftiger Generationen, haben weitere Auswirkungen: Sie führen zu einem höheren Preis für CO2. Während das Standard-DICE-Modell knapp 40 US-Dollar pro Tonne CO2 im Jahr 2020 ergibt, errechnet das aktualisierte DICE-Modell einen CO2-Preis von über 100 Dollar. Die CO2-Preise, die sich aus der Mehrheit der Expert*innenmeinungen zur sozialen Diskontierung ergeben, sind mit wenigen Ausnahmen höher als das, was in den meisten Sektoren selbst in den ehrgeizigsten Regionen der Welt umgesetzt wird.
„Das ist ein weiterer Beleg dafür, welch ein entscheidendes politisches Instrument eine intelligente CO2-Preisgestaltung ist“, so die Folgerung von Ben Groom, Co-Autor und Professor an der Universität Exeter und Mitglied des Grantham Research Institute on Climate Change an der London School of Economics. „Unsere Studie bedeutet damit auch, dass eine ehrgeizigere Klimapolitik nötig ist, um zu vermeiden, dass wir unseren Kindern eine ungerechtfertigt hohe Last der Klimaauswirkungen hinterlassen“, so Groom.