Aus aller Welt
Im Land, wo Bürgermeisterinnen Atheismus-Preise übergeben
Anders Torp wuchs in einer Pfingstgemeinde auf, erlebte dort aufgrund des Glaubens seines Vaters schwere körperliche und seelische Misshandlung. Als junger Erwachsener brach er mit dem Glauben und konfrontierte den Vater öffentlichkeitswirksam mit seinen Erlebnissen.
Anders Torp wuchs in einer Pfingstgemeinde auf, erlebte dort aufgrund des Glaubens seines Vaters schwere körperliche und seelische Misshandlung. Als junger Erwachsener brach er mit dem Glauben und konfrontierte den Vater öffentlichkeitswirksam mit seinen Erlebnissen.
Dafür wurde Anders Torp Ende September als „Atheist des Jahres“ ausgezeichnet. Überreicht wurde ihm der Preis im Alten Rathaus von Oslo durch die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt, Kamzy Gunaratnam. Erstmals vergeben wurde er von der norwegischen Organisation Ateistene („Atheist*innen“), ehemals „Gesellschaft der Heiden“. Mit dem Preis sollen Menschen geehrt werden, die einen besonderen Beitrag zu Atheismus, Rationalität und Menschenrechten geleistet haben.
Anders Torp sei „ein mutiger und ehrlicher Sprecher aller Kinder, die unter fundamentalistischer Religion leiden“, hieß es von Ateistene zur Vergabe. „Mit seinem großen Mut und seiner Objektivität ist er ein Vorbild für alle, die sich um die Rechte der Kinder kümmern. Anders Torp ist insbesondere ein wichtiges Symbol der Hoffnung für alle Kinder, die heute noch unter der religiösen Tyrannei Erwachsener leben“, hieß es weiter.
Der heute 32-jährige prangerte erstmals im Frühjahr 2009 auf der Titelseite der Boulevardzeitung „Verdens Gang“ die religiösen Praktiken und Überzeugungen seines Vaters, dem Pastor Jan Aage-Torp, an. Demnach soll der Pastor unter anderem Exorzismen zur Dämonenaustreibung im sogenannten Heilzentrum seiner Kirchengemeinde durchgeführt haben. Länger bekannt war damals schon, dass Aage-Torp vielfach an Aktionen gegen Kliniken teilgenommen hatte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, er wurde dabei sieben Mal wegen zivilen Ungehorsams verhaftet. Des Weiteren war er als Vorstandsmitglied eines Dachverbands von Organisationen tätig, die sogenannte Konversionstherapien für homosexuelle Menschen bewerben und anbieten, sowie anderen fundamentalistischen Vereinen, die sich auf ein besonders bibeltreues Christentum berufen. Den Einsatz körperlicher Züchtigung von Kindern bezeichnete Aage-Torp als natürlichen Teil der Erziehung, wie sie in der Bibel beschrieben werde, und vertrat zahlreiche weiteren extreme Positionen in der Öffentlichkeit.
Sein Sohn Anders Torp veröffentlichte 2016 unter großer medialer Aufmerksamkeit das Buch „Jesussoldaten“ („Jesus‘ Soldaten“), in dem er die Pfingstbewegung und die Tätigkeiten seines Vaters beschrieb und stark verurteilte. Seit der ersten Veröffentlichung in „Verdens Gang“ bezeichnet er sich als Humanisten. 2019 übernahm er außerdem eine Nebenrolle im Spielfilm „Disco“, der teilweise auf Episoden aus Torps Leben basiert. Unterstützt wird er in seiner Kritik an der Pfingstbewegung von seiner Mutter und drei seiner fünf Geschwister. „Viele Opfer des norwegischen christlichen Fundamentalismus sind so zusammengebrochen oder haben solche Angst, dass sie nicht in der Lage oder nicht bereit sind, in den Medien zu erscheinen. Ich habe mit vielen religiösen Ausreißern gesprochen und weiß, dass dies oft Menschen sind, die es so schwer hatten, dass sie mehrmals kurz davorstanden, Selbstmord zu begehen“, betonte er in Dankesrede zur Auszeichnung.
Die Erfahrungen in der Kindheit hat Torpe bis heute ebenfalls nicht ganz überwunden, wie er verriet. Zweimal musste er allein im letzten Jahr ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil unter Ohnmachtsanfällen und psychogenen Anfällen leidet, für die die Ärzt*innen noch keine eindeutige Erklärung haben. Als Ursache vermutet werde eine Traumatisierung. „Menschen, die Taten wie mein Vater Jan-Aage Torp begangen haben, gehören ins Gefängnis“, sagte Torpe deshalb in seiner Rede. „Geistige und körperliche Gewalt sind verboten! Und Religionsgemeinschaften, die psychologische Gewalt gegen Kinder begehen und damit gegen das Gesetz verstoßen, sollten keine staatliche Unterstützung erhalten.“
Für die mit dem Atheismus-Preis verbundene Dotierung in Höhe von 10.000 Norwegischen Kronen, umgerechnet rund 930 Euro, wolle er „guten Zweck finden, der dazu beiträgt, das Leben von Kindern zu verbessern, denen es in religiösen Umgebungen nicht gut geht.“