Wissenschaft und Forschung
Studie zeigt das versteckte Leiden von Ungläubigen
Die erste weltweite empirische Untersuchung zu Erfahrungen von Apostat*innen enthüllt, dass es wohl viele unerkannte Gewaltopfer gibt.
Die erste weltweite empirische Untersuchung zu Erfahrungen von Apostat*innen enthüllt, dass es wohl viele unerkannte Gewaltopfer gibt.
Eine bislang einzigartige Studie zu Apostat*innen – d. h. Personen, die Religionsgemeinschaften oder Kulte mit hoher Kontrolle und starkem Zwang verlassen – innerhalb von religiösen Haushalten hat eine weit verbreitete Kultur versteckter häuslicher Gewalt offenbart. Dies umfasst laut der Untersuchung oft innerfamiliäre und häusliche Gewalt, aber auch andere Formen wie die Schmähung und Meidung aufgrund verletzter Ehrgefühle. Die Studie „Apostates as a Hidden Population of Abuse Victims“ wurde bereits 2020 veröffentlicht, aber seit kurzem ist sie nun frei zugänglich.
Für die Studie wurden Erfahrungen von fast 230 Apostat*innen aus 30 Ländern befragt. Die Ergebnisse zeigen unter anderem,
- dass Apostat*innen häufiger Übergriffe erleben als jede andere Gruppe nicht-religiöser Menschen,
- dass ex-muslimische Apostat*innen signifikant häufiger physisch und psychisch Opfer werden als ex-christliche Apostat*innen und
- dass die Täter*innen fast ausschließlich enge Familienmitglieder sind.
Letzteres bedeutet, dass Misshandlungen wahrscheinlich nicht bei der Polizei anzeigt werden. Die Studie wurde von den Humanists UK und deren Unterstützungsprogramm für Apostat*innen, Faith to Faithless, unterstützt.
Misshandlungen erfolgen laut den Studienergebnissen in der Regel unter einem Deckmantel, der den Schutz, die Bewahrung oder die Ehrung von religiöser Tradition oder Kultur als Vorwand nutzt. Ein ehemals muslimischer Teilnehmer erklärte, dass „weil ich den Islam nicht mehr praktiziere… sie mich umbringen werden, wenn sie es herausfinden“ und ein ehemaliger Zeuge Jehovas berichtete: „Ich werde von meiner Familie gemieden. Ich habe seit über zwei Jahren nicht mehr mit ihnen gesprochen. Im Grunde haben sie mir erklärt, dass sie ihre Religion über mich stellen.“
Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.
Artikel 18, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen
Nur sechs Prozent der Befragten, die einen Übergriff erlebt hatten, meldeten den Vorfall der Polizei, wobei nur in einem Fall Anklage gegen einen Täter erhoben wurde. Die Studie hebt hervor, dass der Druck der Familie und der religiösen Gemeinschaft der Hauptgrund für die Nichtanzeige ist: 44 Prozent gaben dies als Grund für ihr Schweigen über Missbrauch an. Weitere 27 Prozent gaben an, dass sie befürchteten, die Polizei würde ihnen nicht glauben oder dass die Polizei nicht in der Lage sei, zu helfen. Ein Befragter berichtete: „Ich war sieben Jahre alt und wurde von einem Geistlichen missbraucht. In dieser Gemeinschaft galt sein Wort als Evangelium, und ich war überzeugt, dass seinen Behauptungen geglaubt werden würde.“ Ein anderer gab an, es sei die „Angst vor einer Gegenreaktion der Familie und der Gemeinschaft und das Wissen, dass die Polizei zu Hause nichts gegen den Übergriff unternehmen würde“, der Grund dafür, dass er nicht zu den Behörden gehen konnte.
Studienautor Hari Parekh, selbst ein Apostat, sagte zu den Ergebnissen, diese hätten „dazu beigetragen, nicht nur ein Licht auf eine verletzliche Gruppe von Menschen zu werfen, die in ihren eigenen Familien und Gemeinschaften eine schreckliche Behandlung erfahren haben, sondern auch auf ein kompliziertes Geflecht von Praktiken und sozialen Normen, die es ermöglicht haben, dass dieser Missbrauch im Verborgenen blieb und die Täter weiterhin straffällig werden konnten.“
Der Direktor für Gemeinschaftsdienste bei den Humanists UK, Teddy Prout, kommentierte: „Die Misshandlung von Apostat*innen muss in unser Denken über ehrenbasierte Gewalt integriert werden. Dies schließt die Gesetzgebung und eine bessere Ausbildung und Unterstützung von Polizeikräften und Staatsanwält*innen ein, damit sie die Nuancen dieser Verbrechen verstehen und mehr Opfer ermutigen können, ihren Missbrauch anzuzeigen.“
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