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Vom schwierigen Kampf gegen ein Alltagsphänomen

Im April hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) ihre Arbeit aufgenommen. RIAS-Mitarbeiter Felix Balandat berichtet über die Arbeit der Recherchestelle und den antisemitischen Alltag in Bayern.

Auch so artikuliert sich Antisemitismus nach der Schoa: als Boykottaufruf gegen Israel. In Bayern wird die Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) aktiver. Foto: Richard Ashurst/flickrcc unter CC BY 2.0

Seit April 2019 registriert die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) antisemitische Vorfälle im Freistaat. Diese Arbeit ist auch aus humanistischer Sich bedeutend.

Ein Gastbeitrag von Felix Balandat, RIAS Bayern

Seit Januar bauen meine Kollegen Annette Seidel-Arpacı, Nikolai Schreiter und ich RIAS Bayern auf. Wir registrieren und dokumentieren antisemitische Vorfälle jeglicher Art, bieten Betroffenen und Zeugen Unterstützung an und werden bayernspezifische Berichte verfassen. Hierfür sind wir auf Menschen angewiesen, die uns ihre Erfahrungen und Beobachtungen melden.

Um Vertrauen aufzubauen und uns bekannt zu machen, reisen wir deshalb durch Bayern und stellen uns insbesondere auch jüdischen Gemeinden und Organisationen vor. Was uns Gemeindevorsitzende, Sozialreferenten oder Rabbiner berichten, schockiert zwar jedes Mal aufs Neue, ist aber zu einer traurigen Konstante geworden: Nach Synagogenführungen prüfen Mitarbeiter, ob Schüler Hakenkreuze in die Sitzbänke geritzt haben. Gemeindemitglieder möchten keine Post erhalten, anhand derer erkennbar ist, dass sie Juden sind. Juden werden für die Politik des Staates Israel verantwortlich gemacht. Mit Kippa traut sich fast niemand mehr auf die Straße.

Betroffene bleiben oft allein

Diese Einblicke in den antisemitischen Alltag decken sich mit dem Ergebnis der Problembeschreibung Antisemitismus in Bayern, welche die Grundlage für die Einrichtung von RIAS Bayern darstellt. Demnach ist Antisemitismus für Juden in Bayern ein alltagsprägendes Phänomen: In der Schule, am Arbeitsplatz oder beim Einkaufen sind sie damit konfrontiert. Laut dem Bayerischen Landeskriminalamt wurden 2018 in Bayern 219 antisemitisch motivierte Straftaten begangen, wobei etwa die EU-Grundrechtebehörde davon ausgeht, dass nur 20 Prozent dieser Taten überhaupt angezeigt werden. Antisemitische Vorfälle, die keine Straftaten darstellen, werden zudem kaum dokumentiert. Betroffene sehen sich oft einer empathielosen und ressentimentgeladenen Umgebung gegenüber und behalten ihre Erfahrungen für sich.

Dies wollen wir ändern. Unser niedrigschwelliges Angebot soll das riesige Dunkelfeld der antisemitischen Vorfälle erhellen. Nur mit dem entsprechenden Wissen über das heutige Auftreten und die Träger des Antisemitismus können auch entsprechende Strategien zu seiner Bekämpfung entwickelt werden. Hierbei haben wir alle Ausprägungen im Blick – sei es nun der religiös begründete Antijudaismus, der moderne Antisemitismus, der von einer geheimen diabolischen jüdischen Macht spricht und oft mit Rassetheorien einhergeht, der Post-Schoa-Antisemitismus, der sich vor allem durch seine Schuldabwehr auszeichnet, oder der israelbezogene Antisemitismus, der als Antizionismus eine geopolitische Reproduktion des modernen Antisemitismus darstellt.

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Antisemitismus ist ein eng mit der bürgerlichen Gesellschaft verknüpftes Phänomen. Er zeigt nach Adorno und Horkheimer, dass der herrschenden Vernunft ein Irrationalismus innewohnt, der sich im Nationalsozialismus einen antizivilisatorischen Ausdruck verschaffte. Der Rückfall in die Barbarei wurde mit der Schoa vollzogen. Die Barbarei besteht fort, „solange die Bedingungen, die jenen Rückfall zeitigten, wesentlich fortdauern“ (so Adorno in seinem Manuskript über „Erziehung nach Auschwitz“). Humanismus darf deshalb nicht blinder Fortschrittsgläubigkeit verfallen, sondern muss die Dialektik der Aufklärung berücksichtigen. Der Kampf gegen den Antisemitismus als Kampf für eine humane Gesellschaft zeigt dadurch auch die Grenzen der Aufklärung auf.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) nimmt Meldungen über antisemitische Vorfälle auf und unterstützt Betroffene von Antisemitismus. RIAS Bayern ist derzeit beim Bayerischen Jugendring (BJR) angesiedelt, wird vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert und arbeitet eng mit dem Bundesverband RIAS zusammen. Auf Grundlage der gemeldeten Fälle und eigener Recherche verfasst RIAS Bayern regelmäßig bayernspezifische Berichte über Antisemitismus, betreibt Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit und trägt so zum Kampf gegen Antisemitismus bei.

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