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„Es ist dunkler geworden“

Der Streamingdienst Netflix strahlt derzeit die zweite Staffel von Star Trek: Discovery aus. Wir sprachen über den humanistischen Gehalt von Star Trek, über die revolutionären Anfänge der Serie und ihre düstere Gegenwart.

Vor knapp drei Jahren feierte das neben Star Wars vermutlich berühmteste Science-Fiction-Franchise der Welt seinen 50. Geburtstag: Star Trek. Anlässlich des Jubiläums der Serie um Captain Kirk und Spock veranstaltete der HVD Bayern damals eine Tagung im Nürnberger Nicolaus-Copernicus-Planetarium. Beim Springer-Verlag ist der Band zu jener Tagung erschienen. Wir haben mit dem Herausgeber Michael Bauer über das Buch, das revolutionäre Potenzial von Star Trek und kriegerische Humanist*innen im Weltraum gesprochen.

Das Interview führte Marco Schrage.

Kürzlich ist der Band zu einer Tagung erschienen, die der HVD Bayern vor knapp drei Jahren in Nürnberg ausrichtete und die sich mit dem Star-Trek-Universum und den Figuren darin auseinandersetzte. Das Buch heißt wie die Tagung auch „Neue Welten – Star Trek als humanistische Utopie?“ Der Titel ist mit einem Fragezeichen versehen – warum?

Michael Bauer: Naja, es ist zunächst nicht überzeugend, dass ausgerechnet Humanist*innen in einem schwer bewaffneten Kriegsschiff unterwegs sind, das auch noch Teil einer militärischen Allianz ist. Man muss das schon hinterfragen, wieviel amerikanisches Militär sozusagen in dieser Hollywoodproduktion verkörpert ist. Es sind ja auch die Kinofilme vor allem Konfliktfilme, eigentlich sogar Kriegsfilme. Filme, in denen es immer um bewaffnete Konflikte geht, in denen zwar die Föderation und damit die Enterprise als die Guten gezeigt werden, aber dennoch kämpfen sie. Also man muss sich schon fragen, welche Machtstrukturen der Föderation zu Grunde liegen und der Welt, in der sie existiert. Ist das Gezeigte wirklich das, was wir Humanisten uns für die Zukunft wünschen? Oder wird nur Gegenwärtiges in eine ferne Zukunft projiziert, die eben etwas bunter und technisch anders ist, aber letztlich doch nur das, was wir heute schon haben?

Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Dass Star Trek beides ist. Unterm Strich kann man schon sagen, dass durch die Darstellung von anderen Völkern, Kulturen und Regierungssystemen – nehmen wir etwa die Klingonen oder auch die Romulaner mit ihrem ausgeprägten Militarismus – natürlich ein Kontrast entsteht. Ob das nun Humanismus ist, wie wir ihn verstehen? Das ist zunächst eben die Dynamik, die die Serie ausmacht.

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Es geht bei Star Trek oft um Dilemmata, denen sich die Crew ausgesetzt sieht. Wo sie zwar in einem humanistischen Sinne und moralisch richtig handeln will, die Umstände dies aber erschweren. Daraus entsteht dann das jeweils Interessante einer Folge. Humanismus ist immer vorhanden, das schon, aber er existiert unter den Bedingungen einer Unterhaltungsserie. Mit ständig diskutierenden Humanist*innen, die immer nur pazifistisch versuchen Konflikte wegzureden, wird man keinen Umsatz machen können. Feuernde Raumschiffe und explodierende Planeten sind da natürlich wesentlich attraktiver.

Und doch scheint dieses knallige Unterhaltungsformat es uns wert, sich auch wissenschaftlich damit auseinanderzusetzen.

Ja, unbedingt. Star Trek in seiner Gänze ist eine Ikone der Gegenwartskultur. Man kann in der Serie einfach auch sehr viel sehen – vermutlich weniger von der Zukunft, als vielmehr von unserer Gegenwart, davon, wie wir uns die Zukunft vorstellen und wie sich die Gegenwart verändert. Und natürlich auch, wie zeitgenössische Diskussionen sich in Science-Fiction abbilden. Ganz am Anfang zum Beispiel war ja schon die Zusammensetzung der Crew revolutionär: Ein Russe, der das Raumschiff steuert! Eine Afroamerikanerin, die als Offizierin die Kommunikation regelt! Der erste Leinwandkuss zwischen einem Weißen und einer Schwarzen fand in Star Trek statt, zwischen Lt. Uhura und Captain Kirk. Da ist sehr viel revolutionäres Potenzial drin. Später dann die eher dystopische Vorstellung der Borg als eines sehr stratifizierten, uniformierten Kollektivs, einer Lebensform, die ohne jede Individualität auskommt. Das ist natürlich das völlige Gegenbild. Im Konflikt mit den Borg zeigt sich, dass es bei Star Trek um Individualität geht, um das Eigene, um persönliche Freiheit und die Abwehr von Konformismus.

Ganz sicher ist er sich nicht: „Der Vorzeigehumanist im Weltraum ist Jean-Luc Picard, vielleicht auch Data“, sagt Michael Bauer. Bauer ist seit 2011 Vorstand der Humanistischen Vereinigung und Herausgeber des Tagungsbandes „Neue Welten – Star Trek als humanistische Utopie?“ Foto: © Kohler Fotografie

Was kommt im Band sonst noch zur Sprache?

Einiges. Es ist ein sehr großer Essay der Genderforscherin Uta Scheer enthalten, den ich geradezu brilliant finde. Scheer bürstet darin vor allem DS9 (Deep Space Nine; Anm. d. Red.) mit Blick auf LGBTI-Themen quer – sehr erhellend. Die Serie zeigt viel über die amerikanische Gesellschaft, wenn man sie nur richtig zu decodieren weiß.

Wir haben aber auch Aufsätze im Band, die sich aus soziologischer oder politikwissenschaftlicher Sicht mit Star Trek beschäftigen, also: Welche Regierungssysteme gibt es, welche Machtstrukturen? Stefan Lorenz Sorgner, ein führender Forscher und Philosoph des Transhumanismus, liefert eine ethische Reflexion über Data und fragt, ob Maschinen Rechte haben. Auch die Frage, ob Star Trek weniger eine Utopie als vielmehr ein Mythos ist, wird behandelt. Es gibt gar nicht so wenige Parallelen zwischen Star Trek und mythischen Erzählungen; wenn man so will, ist Star Trek auch nur eine Variante der Odyssee. Wir spannen also einen sehr großen zeitlichen Bogen, von der griechischen Antike bis in unsere Gegenwart und darüber hinaus, mit ethischen Fragestellungen und schließlich der einen Frage: Wird in Star Trek ein Universum geschildert, in dem wir wirklich leben wollten?


Sie haben vorhin das revolutionäre Potenzial der Original Series erwähnt, die Borg wurden in Next Generation eingeführt. Außerdem geht es im Band noch um Queerness in DS9. Die jüngste Star-Trek-Produktion Discovery taucht nur am Rande auf – fügt sie der großen Star-Trek-Erzählung etwas Neues hinzu? Oder können wir auch an ihr sehen, wie wir derzeit die Welt sehen?

Ich denke, an den neuen Folgen sieht man eine ganze Menge. Zum Beispiel, dass die Gender-Diskussion komplett angekommen ist. Wir haben eine Frau als Heldin, die eine hochrangige Offizierin ist, aber heißt wie ein Mann – Michael. Damit wird doch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass alte Geschlechtergrenzen keine allzu große Rolle mehr spielen. Es sind sehr viel mehr Frauen in tragenden Rollen zu sehen, als das früher der Fall war. Auch darin spiegeln sich gesellschaftliche Veränderungen wieder.

Man sieht aber auch, dass die Grautöne etwas verschwinden. Die Serie wird geradezu brachial gezeichnet, sie ist sehr viel kriegerischer als alles, was wir bisher hatten, und es wird ein, ja: Endzeitkonflikt geschildert. Discovery ist insgesamt sehr viel weniger versöhnlicher als ihre Vorgängerserien. Man wird sehen, wie es weitergeht, aber es ist um ein vieles dunkler geworden im Star-Trek-Universum.


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