Rezensionen
Wie und warum mit Kindern über Religion sprechen, wenn man nicht religiös ist?
„Relax, It’s Just God: How and Why to Talk to Your Kids about Religion When You’re Not Religious“ (erschienen bei Brown Paper Press) ist ein Beitrag zur wachsenden Rubrik säkularer Elternratgeber, der neue Denkanstöße gibt.
„Relax, It’s Just God: How and Why to Talk to Your Kids about Religion When You’re Not Religious“ (erschienen bei Brown Paper Press) ist ein Beitrag zur wachsenden Rubrik säkularer Elternratgeber, der neue Denkanstöße gibt.
Verfasst wurde es von Wendy Thomas Russell, einer preisgekrönten Journalistin, die vielen als Kopf von Patheos‘ Erziehungs-Blog „Natural Wonderers“ bekannt ist. Relax, It’s Just God enthält Russells Datenanalyse einer informellen Umfrage unter 1000 nichtreligiösen Eltern sowie zahlreiche Meinungsäußerungen säkularer Internetpersönlichkeiten wie Dale Mc Gowan und Richard Wade. Während jedoch Parenting Without God, verfasst von Vollblut-Atheist Dan Arel, mich oft dazu brachte, laut Amen! zu jubeln, liegt Russells Buch eine schwierigere Fragestellung zugrunde: Sollten nichtreligiöse Eltern ihren Kindern religiöse Toleranz vermitteln, indem sie sie an religiöse Dogmen und Legenden heranführen, an die sie selbst nicht glauben?
Eine Anekdote aus Russells Schlusskapitel bringt die Antwort, die wahrscheinlich viele Nichtgläubige geben, auf den Punkt: „Kurz nachdem ich mich entschieden hatte, das Buch zu schreiben, nahm ich Kontakt zur Kommunikationsleiterin einer Atheistengruppe in New York auf. Ich erzählte ihr von meinem Projekt und fragte sie, ob ich ein paar Eltern aus ihrer Gruppe dazu befragen könne, wie sie ihre Kinder an Religion herangeführt haben. Ihre Antwort war kurz und präzise. „Als Atheistin“, schrieb sie, „habe ich meine Kinder nicht an Religion herangeführt. Und keiner, den ich (aus der Gruppe) kenne, würde seine Kinder an Religion heranführen.“
Meine eigene unmittelbare Reaktion war schon gespaltener. Als Kind ehemaliger Fundamentalisten und früherer Angehöriger der Pfingstbewegung führte ich mit meiner Frau regelmäßig Diskussionen darüber, wie wir das Thema Religion mit unserer fast vierjährigen Tochter angehen sollten. Was das religiöse Bewusstsein betrifft, haben wir als Paar beschlossen, den Bildungsweg mit Prüfsteinen zu versehen: Meine Frau will wieder den Grand Canyon besuchen, damit sich unsere Tochter selbst ein Bild von den Gesteinsschichten der verschiedenen geologischen Zeitalter machen kann. Ich würde ihr gern Mary Renaults Romanfassung des Theseus-Mythos vorlesen, um ihr das Dunkel der Religionen aufzuzeigen, auf die die Menschen einst ihr Leben bauten. Bei Diskussionen rund um die Bibel haben wir uns darauf geeinigt, dass Parallelen zu früherer Mythologie, innere Unstimmigkeiten in der Bibel selbst sowie die Frage der Autorschaft und historische Aussagen im Mittelpunkt stehen sollen. Wir sind uns auch darüber einig, dass unsere Tochter, bevor sie jemals einen Fuß in eine Kirche setzt, über den routinierten Einsatz gesellschaftlichen und emotionalen Drucks sowie die nach Militärstandards ausgeübte psychische Gewalt der Missionare aufgeklärt wird.
Anders gesagt, der genaue Weg steht vielleicht noch nicht fest, aber das Ziel ist klar: Wir wollen, dass unser Nachwuchs gegen Konvertierungsversuche gewappnet ist.
In Relax, It’s Just God geht Autorin Wendy Thomas Russell potentielle Probleme folgendermaßen an: „Angesichts des säkularen Booms in Amerika ist es vielleicht nicht die Religion, über die wir uns Sorgen machen sollten; vielleicht ist es Bigotterie. Als Eltern, die an vorderster Front dieses großartigen Wandels stehen, haben wir die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass Ungläubigkeit nicht dazu führt, abfällige, herablassende oder verächtliche Kommentare über Menschen zu machen, die keine Bedrohung für uns darstellen. Sich selbst und die eigenen Vorurteile zu kennen, den inneren Zorn zu unterdrücken und ein bisschen Demut zu bewahren, sind die entscheidenden ersten Schritte.“
Als jemand, der mit den anhaltenden negativen Konsequenzen schweren körperlichen Kindesmissbrauchs, verübt auf Anraten eines christlichen Pfarrers, lebt, verfehlt Russells sorgloser Umgang mit Unheil und Fallstricken der Religion für mich ab und an das Thema. Und als jemand, der bereits alle Verbindungen zu seiner zerrütteten Familie gekappt hat, fiel es mir schwer, mich mit Russells Forderung nach Versöhnung mit der gottesfürchtigen Großfamilie zu identifizieren. Einigen Aussagen und Anregungen in Russells Book könnte ich nie zustimmen. Dennoch hallt die Kernbotschaft nach: meine Frau und ich verbrachten die Ferien für einige Wochen mit unseren Nachbarn, die den Baptisten angehören und ihre Kinder zu Hause unterrichten. Sie sind stets respektvoll mit unserem offensichtlichen Mangel an religiösem Glauben umgegangen; meine Frau hat immer noch Kontakt zu einem Hijab-tragenden muslimischen Studienkollegen; unter meinen Facebook-Freunden finden sich christliche Autoren, Musiker und Pfarrer. Meine Frau und ich kommen mit unseren religiösen Gegenstücken gut aus, wir lieben sie sogar, trotz der signifikanten Differenzen.
Wendy Thomas Russell zeigt letztlich auf, dass Nichtgläubige ohne Voraussicht und bewusstes Bemühen in ihren Kindern ungewollt jene Art gedankenloser und böswilliger Intoleranz wecken könnten, die sie selbst an den Gottesfürchtigen kritisieren. Aufgrund dieses meiner Ansicht nach stichhaltigen Arguments ist dieses kleine Buch sowohl Zeit als auch Mühe durchaus wert.
Im Unterschied zu ähnlichen Ratgebern ist Russells Buch an alle „Nones“ gerichtet – eine Kategorie, die atheistische, agnostische, spirituell-aber-nicht-religiöse und sogar religiöse Eltern ohne feste Glaubenszugehörigkeit einschließt. Sie liefert praktische Ratschläge für eine Vielzahl von Themen: von der Frage, wie man religiös motiviertes Mobbing auf dem Spielplatz abfängt bis hin zu Gesprächen über den Tod mit kirchenfernen Kindern. Einige ihrer Argumente stoßen unweigerlich bei denen nicht auf Zuspruch, die sich glücklich in der Blase atheistischer Webseiten und sozialer Medien bewegen, aber wie Russell so gekonnt aufzeigt: Jetzt ist es an der Zeit für die Eltern der „Nones“, ihren Nachwuchs darauf vorzubereiten, die Rolle als Anführer von Amerikas wachsender Mehrheit anzunehmen.
Übersetzung aus dem Englischen: Sarah Scherf