ANZEIGE
Social Media
Lorem ipsum
ANZEIGE

Aus aller Welt

Bangladesch: Urteile sechs Jahre nach Mord an Avijit Roy

Ein Gericht in Bangladesch hat fünf Männer zum Tod und einen zu lebenslanger Haft für den Mord an dem säkularen Blogger Avijit Roy verurteilt, der im Februar 2015 zusammen mit seiner Frau Bonya Ahmed während einer Buchmesse mit Macheten angegriffen wurde. Avijit Roys Frau und seine Unterstützer*innen werfen dem Gericht, der Regierung und den Behörden weiterhin schwere Versäumnisse vor.

Ein Gericht in Bangladesch hat fünf Männer zum Tod und einen zu lebenslanger Haft für den Mord an dem säkularen Blogger Avijit Roy verurteilt, der im Februar 2015 zusammen mit seiner Frau Bonya Ahmed während einer Buchmesse mit Macheten angegriffen wurde. Avijit Roys Frau und seine Unterstützer*innen werfen dem Gericht, der Regierung und den Behörden weiterhin schwere Versäumnisse vor.

Der humanistische Autor Avijit Roy und seien Frau Bonya Ahmed im Jahr 2012. Foto: Bonya Ahmed

Avijit Roy war ein atheistischer Blogger aus Bangladesch, der sich für Säkularismus, Wissenschaft und Freidenkertum einsetzte. Er gründete die Blogging-Plattform Mukto-Mona (was in Bangla „Freier Geist“ bedeutet), die nach seinen eigenen Worten „eine Online-Versammlung von Freidenker*innen, Rationalist*innen, Skeptiker*innen, Atheist*innen und Humanist*innenen hauptsächlich bengalischer und südasiatischer Abstammung sein sollte.“

Avijit Roy, der sich als säkularer Humanist bezeichnete, verfasste acht Bücher in Bangla und Hunderte von Artikeln zu verschiedenen humanistischen Themen, darunter Atheismus, Homosexualität und Wissenschaft. Mukto-Mona war 2014 für den Weblog-Award The BOBs der Deutschen Welle nominiert. Mukto-Mona wurde von Avijit 2001 zunächst als Yahoo-Gruppe gegründet; später wurde der Blog mit Unterstützung eines kanadischen Humanisten als eigene Website eingerichtet.

Wegen seiner Aktivitäten wurden Avijit Roy und seine Frau Bonya Ahmed im Jahr 2015 auf einer internationalen Buchmesse in Dhaka mit Macheten angegriffen. Er starb bei dem Angriff, sie überlebte nur knapp. Sechs Jahre nach dieser islamistischen Gewaltorgie hat ein Gericht in Bangladesch fünf Männer zum Tod und einen zu lebenslanger Haft verurteilt.

Bonya Ahmed kommentierte zur Entscheidung: „Heute haben die Gerichte ihr Urteil veröffentlicht. Sie haben geurteilt, ob die Angreifer Avijit ermordet haben oder nicht, weil er Bücher und Blogs über Wissenschaft, Philosophie und Religion geschrieben hat. Dieses Urteil ist kein Abschluss für mich oder unsere Familie, das habe ich auch nie erwartet. Einfach nur ein paar Fußsoldaten strafrechtlich zu verfolgen – und den Aufstieg und die Wurzeln des Extremismus zu ignorieren – bedeutet keine Gerechtigkeit für Avijits Tod, noch für den Tod der ‚Blogger, Verleger und Homosexuellen‘ vor und nach ihm als Teil der Serienmorde. Deshalb wird dieses Urteil weder meiner noch ihren Familie Frieden bringen.“

Mukto-Mona veröffentlichte eine längere Stellungnahme zum Urteil, in der die massiven Fehler und Versäumnisse der bangladeschischen Regierung und Behörden betont werden.

„Ein Gericht in Dhaka hat heute fünf Mitglieder der verbotenen militanten Organisation Ansar Al Islam, darunter den entlassenen Major Zia ul Haque, in einem Verfahren wegen des Mordes an dem Schriftsteller Avijit Roy im Jahr 2015 zum Tode verurteilt, doch der Drahtzieher des brutalen Mordes – Major Zia ul Haque – ist untergetaucht; die Behörden haben keine Ahnung, wo er sich derzeit aufhält. Interessant ist auch, dass obwohl die Ermittler die Beteiligung von 12 Personen an der Ermordung feststellten, sechs aus der Anklageschrift herausgenommen wurden, weil der Aufenthaltsort von fünf dieser sechs Personen nicht ermittelt werden konnte. Die sechste Person, Mukul Rana, einer der Hauptverdächtigen, wurde in einem sogenannten Kreuzfeuer getötet, während er sich in Polizeigewahrsam befand. Mit großer Bestürzung stellen wir auch fest, dass die Regierung es versäumt hat, die Zeugenaussage von Bonya Ahmed, der Ehefrau von Avijit Roy, aufzunehmen, die ebenfalls Opfer des Anschlags wurde und mit mehreren schweren Körperverletzungen nur knapp überlebte. Wir haben das Gefühl, dass die Regierung diese Gerichtsverfahren halbherzig verfolgt, ohne die ehrliche Absicht, den Extremismus aus Bangladesch zu vertreiben.

Seit der Ermordung von Avijit Roy am 26. Februar 2021 sind nun sechs Jahre vergangen. Die Regierung zeigte zunächst kein Interesse an der Verfolgung der Verbrecher und eine Reihe von Schriftstellern, darunter Washiqur Rahman Babu, Ananta Bijoy Das, Niloy Chakroborty und Faisal Arefin Dipan, wurden innerhalb weniger Monate nach Avijits Ermordung getötet. Diese Schriftsteller suchten Schutz bei der Polizei, fanden aber keine Unterstützung durch die Behörden. Es gab auch weitere Angriffe auf andere Schriftsteller und Verleger. Erst nach dem Massenmord in der Holey Artisan Bakery in Dhaka im Juli 2016, bei dem 28 Menschen getötet wurden, darunter 17 Nicht-Bangladescher, wurde die Regierung zum Handeln angespornt.

Das Zögern der Behörden, in solchen Situationen strenge Maßnahmen zu ergreifen, deutet auf eine schleichende Bereitschaft der Regierung hin, an der Macht zu bleiben, indem sie den aufkommenden Islamismus im Land besänftigt. In den letzten Jahren hat die Regierung, um die religiösen Gefühle der Bevölkerung zu beschwichtigen, spezielle Haushaltsmittel für den Bau von Moscheen und die Ausbildung islamischer Geistlicher bereitgestellt. Die tiefgreifende Islamisierung verändert allmählich die Grundlagen der bengalischen kulturellen Identität. Auf Druck der Hefazat-i-Islam und ihres eigenen islamischen Flügels entfernt die Behörde systematisch Texte bekannter nicht-muslimischer und muslimischer Autoren aus dem Lehrplan der Schulen; diese Texte wurden gestrichen, weil man befürchtete, dass sie multikulturelle Perspektiven oder introspektive philosophische Ideen fördern könnten. Die Regierung beugte sich den Forderungen extremistischer islamischer Organisationen nach Entfernung einer Statue vor dem Obersten Gerichtshof, die die Dame der Gerechtigkeit darstellt, da sie die Anwesenheit der Statue mit Götzenanbetung gleichsetzten. Die Regierung hat den Forderungen dieser Organisationen nachgegeben, indem sie das Mindestheiratsalter für Mädchen auf unter 18 Jahre herabsetzte und mehrere umstrittene [rechtliche] Änderungen in Bezug auf die Vergewaltigungsopfer vorgenommen hat. Die Behörden fördern zunehmend eins Familien- und Eherecht, das vor Gericht religiös dominiert wird. Kürzlich wurde in einem Gerichtsurteil das Recht von Frauen abgelehnt, Standesbeamte für muslimische Eheschließungen zu sein. Die derzeitige Regierung setzt auch eifrig ein unvollkommenes Gesetz namens ‚Digital Security Act‘ um, das Haft- und Geldstrafen für Menschen vorsieht, die religiöse Gefühle verletzen. Islamisten fällt es leichter, die Öffentlichkeit durch die Verbreitung falscher Gerüchte gegen Unschuldige aufzuwiegeln, und so werden unter diesem Gesetz ungewöhnlich viele Menschen zusammengetrieben und ins Gefängnis geworfen.

Wir nehmen das Urteil zur Kenntnis, müssen aber betonen, dass die Regierung von Bangladesch nicht nur versäumt hat, die Drahtzieher der Morde an Avijit Roy und anderen Schriftsteller*innen zu fassen, sondern auch regressive Schritte unternommen hat, durch die die freie Meinungsäußerung, die sich für den säkularen und nicht-sektiererischen spirituellen Humanismus einsetzt, der in Bengalen seit der Antike praktiziert wurde, beschnitten wird. Es mag sein, dass die Regierung in einigen Fällen energisch gegen Extremist*innen vorgeht, aber wir glauben, dass sie durch die ständige Förderung der Islamisierung des Landes in ihrer ideologischen Verpflichtung gegenüber der ursprünglichen Verfassung der Republik Bangladesch versagt und den Mördern von Avijit Roy nachgegeben hat.“

Bevor Sie wieder gehen

Wenn Sie diesen Beitrag lesenswert fanden, bitten wir Sie um Ihre Unterstützung unserer Arbeit. Dafür haben Sie zwei Möglichkeiten:

#1 Senden Sie uns einen Betrag Ihrer Wahl via Paypal.
#2 Buchen Sie eines der Abonnements bei unserem Partner Steady.

Schon mit einem kleinen regelmäßigen Betrag werden Sie ein Teil unseres Teams. Wir sagen herzlich Dankeschön für Ihr Interesse!

Unser
humanistisch!er Newsletter

Lassen Sie sich kostenfrei über neue Artikel auf dem Laufenden halten.
Jetzt abonnieren:
Anmelden
Kommentarbereich ausklappen

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vielgelesen

Unser
humanistisch!er Newsletter

Lassen Sie sich kostenfrei über neue Artikel auf dem Laufenden halten.
Jetzt abonnieren:
Anmelden
close-link