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Wieso bist Du weiblich, Alexa? – Debatte um Gender-Stereotype bei Sprachassistenten
Laut UNESCO verbreiten moderne Sprachassistent*innen wie siri, Alexa oder Cortana Gender-Stereotype. Weibliche Stimme und unterwürfige Art transportierten ein Frauenbild als dienende Maschine. Deshalb müsse jetzt die Suche nach Alternativen beginnen.
Sprachassistenten wie Amazons „Alexa“ begleiten längst den Alltag vieler Menschen – doch zunehmend hinterfragen Expert*innen die unterwürfige Haltung und kleinlauten Antworten der meist weiblichen, digitalen Helfer*innen.
Wenn es nach ihren Erschaffer*innen geht, dann sollen sie uns künftig fast überall begleiten und das Leben erleichtern. Moderne Sprach-Assistenzsysteme wie Siri, Alexa oder Cortana sind in vielen Bereichen und technischen Systemen auf dem Vormarsch, werden von Millionen Menschen dankbar angenommen und ganz selbstverständlich benutzt. Das Mithören und die Datensammelwut der dahinter operierenden Konzerne wird seither lebhaft diskutiert und häufig kritisiert. Doch auch die inhaltliche Gestaltung der unsichtbaren, akustischen Helfer wirft Fragen auf: Zum Beispiel inwieweit sie sie unsere Gewohnheiten, Denkmuster und damit auch Rollenbilder beeinflussen?
In einem kürzlich erschienenen Bericht hat die UNESCO erläutert und kritisch darauf hingewiesen, dass Sprachassistent*innen Gender-Stereotype reproduzierten. Sie treten „unterwürfig, gehorsam und stets höflich“ in Erscheinung. Solche „Maschinen, die patriarchalische Ideen replizieren, stehen dem Versprechen, Gender-Gleichheit zu erreichen, entgegen“, resümiert der Bericht. Insbesondere mit Blick auf die Faktoren, dass Kinder heute mit diesen Möglichkeiten der Spracherkennung aufwüchsen und Sprache ein Geschlechtsmarker sei, bestehe die Gefahr, dass dadurch ein Bild von Frauen als dienenden Maschinen erzeugt und überholte Rollenbilder weiter transportiert und erhalten würden.
Der ausführliche UNESCO-Bericht ist hier zu finden:
https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000367416.page=1
Immerhin bieten Google und Apple eine männliche Assistentenstimme als Alternative, die jedoch erst einmal gefunden und geändert werden muss. Die englische Zeitung The Guardian verweist dabei auch auf regionale und gruppenspezifische Unterschiede und Vorlieben beim Gebrauch der Assistenten.
Stimmen signalisieren Fürsorglichkeit
Bei der Auswahl der Stimmen haben die Hersteller natürlich genau analysiert, wie eine möglichst angenehm Stimme zu klingen hat. Amazon entschied sich dabei für die aktuelle Stimme von Alexa. Im einem Interview mit Business Insider beschreibt Daniel Rausch, Chef des Smart-Home-Bereichs bei Amazon, wie das Unternehmen geforscht und festgestellt hat, dass „die Stimme einer Frau sympathischer wirkt und besser angenommen wird“.
Schon vor dem großen Markterfolg der Assistenten hatten Studien belegt, dass auch eine Computer-Stimme automatisch bestimmte Erwartungen bei uns auslöst, die mit dem Geschlecht dieser Stimme verbunden sind. Das vorhandene Rollenverständnis, etwa das einer hilfreichen, fürsorglichen Frau überträgt sich offenbar auf Alexa, Siri und Co. Darüber hinaus könnten Menschen sich besser mit Maschinen identifizieren, wenn diesen ein eindeutiges Geschlecht zugeordnet sei.
Ganz nebenbei: Alexas historisches Vorbild und Namenspatron ist weder weiblich noch männlich, sondern die Bibliothek von Alexandria. Bis vor gar nicht so langer Zeit war diese Sinnbild einer Bibliothek, die jede Frage beantworten kann und das gesammelte Wissen der Welt bereit hält.
Die feministische Alexa – bisher nur schöner Schein?
Erst kürzlich waren die Sprachassistenten bei der zweitägigen Konferenz „AI Traps“ in Berlin zentrales Thema. Sie würden oft als digitale Version eines Einkaufszettels oder als Aufgabenliste in Heim und Küche verwendet, erklärte die Mitgründerin des Zirkels Feminist Internet, Charlotte Webb bei der Veranstaltung, die sich klar gegen Diskriminierung durch KI positioniert hat. Aktivisten haben bereits Prototypen für androgyne und feministische Sprachassistenten entwickelt, um über KI-Monopole und Vorurteile gegen Frauen aufklären.
Bei den ersten zaghaften Schritten der Hersteller, die 2017 die Antwortoptionen ihrer digitalen Diener*innen erweitert haben, dürfe es nicht bleiben. Auf steigenden öffentlichen Druck, vor allem in den USA in Folge der MeToo-Debatte, reagierten die Tech-Konzerne, indem sie der Sprachsoftware den so genannten Disengage-Modus hinzugefügt haben, in dem beispielsweise sexuelle Anspielungen mit Widerworten gekontert werden. Alexa zeigt sich nach dem Update gar als Feministin: „Ja, ich bin Feministin. Wie alle, welche die gesellschaftliche Ungleichheit zwischen Männern und Frauen überbrücken wollen.“
Parallel zur Gender-Diskussion um Sprach-Assistenten haben Informatiker*innen der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg ein Projekt ins Leben gerufen, das einen breit angelegten, öffentlichen Diskurs zu Chancen und Risiken der neuen Technologie anregen will. Bei der „Convention zur Künstlichen Intelligenz – KI im Gendercheck“ im November 2019 sollen Experten und Interessierte gemeinsam experimentieren und auf einer Plattform die Chancen und Risiken der KI definieren und diskutieren. In der Festung Mark in Magdeburg sind zudem Ausstellungen, Workshops und Initiativen zum Mitmachen aus dem Feld der Künstlichen Intelligenz geplant. Diese Plattform für einen öffentlichen Diskurs der Künstlichen Intelligenz gehört zu insgesamt 19 ausgezeichneten Projekten zur Wissenschaftskommunikation, finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2019.
Bessere Menschen dank Maschinen?
Eine ähnlichen Vorstoß, sich über das zukünftige Leben mit oder bewusst ohne künstliche Intelligenz Gedanken zu machen, Chancen und Risiken auszuloten und scheinbar wegweisende Errungenschaften auch aus moralischer und philosophischer Perspektive kritisch zu betrachten, macht das „Symposium turmdersinne 2019: Bessere Menschen?“ in Fürth.
Es hinterfragt die technische Erweiterbarkeit des Menschen und beschäftigt sich somit mit der laut Francis Fukuyama „gefährlichsten Idee der Welt“.
Medizin und Neurowissenschaft untersuchen das heute und zukünftig Mögliche im Bereich der Neurotechnik, der Prothetik oder der Körperimplantate; Philosophie, Psychologie, Kultur- und Sozialwissenschaften geben einen Einblick in die Möglichkeiten der Symbiose von Mensch und Maschine und befassen sich mit den sozialen, ethischen und politischen Implikationen, die der Technologisierung des Menschen in der transhumanistischen Zukunft beiwohnen.
Fachleute aus all diesen Gebieten treffen sich beim turmdersinne-Symposium vom 11. bis 13. Oktober 2019 in Fürth. Ein ganzes Wochenende lang tauschen sie aktuelle Erkenntnisse aus und begeben sich dabei in den Dialog mit der Öffentlichkeit.
Das Programm im Detail gibt es hier.