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Panorama

Minimalismus – Die Philosophie vom guten einfachen Leben

Wieviel von dem, was wir besitzen, brauchen wir tatsächlich? Ab wann wird aus der Bereicherung Ballast?

Wieviel von dem, was wir besitzen, brauchen wir tatsächlich? Ab wann wird aus der Bereicherung Ballast?

Foto: © iskren87 - Fotolia.com

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Ein durchschnittlicher Europäer besitzt 10.000 Dinge. Tatsächlich nutzt er aber nur einen Bruchteil davon. Der Rest staut sich in den Schubladen, Kammern, Kellern und Dachböden an – falls man es doch mal braucht. Das ist selten der Fall und auch wenn man sich nicht bewusst mit all den angehäuften Sachen befasst, so sind sie Energieräuber. Sie blockieren den Platz für Neues und müssen „verwaltet“ werden.

Vermutlich kennt jeder das schöne Gefühl, wenn man die ganze Wohnung gerade komplett aufgeräumt und saubergemacht hat. Diese Ruhe. Diese Klarheit. Diese Übersicht. Wenn man minimalistisch lebt, wird dieses Gefühl zu einem Grundgefühl. Das Leben fühlt sich ruhig, klar und übersichtlich an.

Wie wird man Minimalist?

Das gründliche Ausmisten der Wohnung ist für die meisten der Anfang. Auch Neukäufe werden ab da meist wohlüberlegt. Braucht man das wirklich? Oder wäre es nicht schöner, von dem Geld ein Erlebnis zu erwerben? Oder einfach gar nichts zu erwerben? Viele stellen auch ihr Arbeitspensum auf den Prüfstand. Denn wenn sie weniger Geld ausgeben, müssen sie auch weniger verdienen und können dafür auch weniger arbeiten. Was bleibt, ist mehr Zeit. Ein minimalistischer Lebensstil greift wie von selbst auf andere Lebensbereiche über und es entsteht der Wunsch, das Leben generell zu vereinfachen. Minimalisten berichten in ihren Blogs, dass sie beispielsweise auch Freundschaften auf den Prüfstand gestellt haben oder sich viel bewusster und meist auch einfacher und natürlicher ernähren.

Erleichtert wird das minimalistische Leben auch durch die neue Sharing-Kultur unserer Zeit: Vom Auto bis zum Akkubohrer kann alles geliehen oder getauscht werden. Auch die Digitalisierung macht es einfacher, wenig Sichtbares zu besitzen. Niemand muss mehr CD- oder Bücherregale in seinem Wohnzimmer aufstellen, die dann prall gefüllt werden. Man kann all diese Inhalte auf kleinstem physischem Raum abspeichern. (Wobei ich persönlich den Charme und die Ausstrahlung eines gefüllten Bücherregals doch vermissen würde.)

Minimalismus hat viele Gesichter

Manche Minimalisten besitzen wirklich nur das Allernötigste und sind stolz darauf weniger als 100 Dinge ihr Eigen zu nennen. Das ist für eine Familie mit Kindern natürlich nicht machbar. Die werden alleine schon viel damit zu tun haben, die stetigen Geschenke von Großeltern und Tanten und Onkels für die lieben Kleinen abzuwehren. Mit Kindern minimalistisch zu leben ist eine besondere Herausforderung, weil das „Vielbesitzen“ so verbreitet ist, dass es schwierig ist, Kindern zu erklären, wieso sie viel weniger als ihre Freunde haben sollen. Da ist es hilfreich, den Fokus nicht auf das zu richten, was wegfällt, sondern den Kindern zu vermitteln, welche Freiheiten und neue Möglichkeiten dadurch entstehen, beispielsweise in Form von Ausflügen.

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Minimalismus schließt ebenfalls nicht aus, etwas Hochwertiges zu besitzen. Jemand mit einem teuren Auto vor der Tür kann genauso ein Minimalist sein, wie ein digitaler Nomade, dessen Hab und Gut in einen Rucksack passt.

Die Suche nach dem echten Leben

Minimalismus hat nichts mit Verzicht und Askese zu tun. Im Gegenteil. Die Welt scheint immer schnelllebiger, bunter, abwechslungsreicher und ereignisreicher zu werden und immer mehr Menschen verspüren den Wunsch, sich dem Höher, Schneller und Weiter unserer Zeit zu widersetzen. Möglicherweise erkennen sie auch, jeder für sich, dass äußere Fülle überhaupt nichts mit einem erfüllten oder glücklichen Leben zu tun hat und machen sich auf die Suche nach Gegenströmungen. Wenn man seine Zeit nicht mit stetigem Aufräumen und dem Inordnunghalten unzähliger Dinge verbringen muss, kann man sich viel stärker den Dingen widmen, die langfristig erfüllender sind als jeder Besitz: Zwischenmenschliche Beziehungen, neue Erfahrungen, Reisen, Selbstverwirklichung, Selbstbestimmtheit…

Diese Begierde nach dem echten wahren Leben, der Wunsch, die eigenen Tage nicht mit Fremdbestimmtheit und Streben nach Besitz ausfüllen zu lassen, sondern das Leben in seiner Substanz zu leben, das benennen die meisten Minimalisten in Büchern, Blogs und Foren als ihr Motiv.

Minimalismus als Trend?

Minimalismus ist kein Trend im Sinne einer vergänglichen Zeiterscheinung. Denn die Erkenntnis, wie bereichernd ein einfaches Leben sein kann, ist alles andere als neu. Bereits Sokrates stellte fest: „Wie viele Dinge es doch gibt, die ich nicht brauche.” Und Epikur schrieb: „Mein Körper strömt über vor Leichtigkeit, wenn ich von Brot und Wasser lebe, und ich spucke auf die Freuden des prachtvollen Lebens, nicht ihrethalben wohlgemerkt, sondern wegen der Beschwerden, die sie mit sich bringen.” Für Schiller war „Einfachheit das Resultat der Reife“ und Goethe hielt fest: „Nun glaub ich auf dem rechten Wege zu sein, da ich mich immerfort als einen Reisenden betrachte, der vielem entsagt, um vieles zu genießen.“

Minimalismus oder Maximalismus?

Vor etwa 100 Jahren besaßen die Menschen nur einen Bruchteil dessen, was wir heute besitzen. Es stellt sich die Frage, ob es nicht die Minimalisten sind, die sich eher einem Normalmaß bzw. Wohlfühlmaß an Besitz annähern und alle anderen Maximalisten sind, denen das aber nicht auffällt, weil die große Mehrheit der Menschen heute „maximalistisch“ lebt. Der amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau suchte bereits vor 200 Jahren die Fülle des Lebens in der Einfachheit. Er verbrachte jeden Tag Stunden in der Natur und lebte sogar zwei Jahre alleine in einer selbstgebauten Blockhütte. Dazu schrieb er unter anderem diese eindrucksvollen Sätze: „Ich ging in die Wälder, denn ich wollte wohlüberlegt leben; intensiv leben wollte ich. Das Mark des Lebens in mich aufsaugen, um alles auszurotten was nicht Leben war. Damit ich nicht in der Todesstunde inne würde, daß ich gar nicht gelebt hatte.“

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