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Kommentar

Fleischesser sollen sich rechtfertigen!

Durchschnittlich mehr als 80 Kilogramm Fleisch essen jeder und jede Deutsche pro Jahr. Und sie tun es, obwohl es, jedenfalls aus humanistischer Sicht, keine guten Gründe dafür gibt. Ein Diskussionbeitrag von Armin Pfahl-Traughber.

Durchschnittlich mehr als 80 Kilogramm Fleisch essen jeder und jede Deutsche pro Jahr. Sie tun es ungeachtet diverser Lebensmittelskandale und investigativer Recherchen über die Zustände in Fleischmastbetrieben. Und sie tun es, obwohl es, jedenfalls aus humanistischer Sicht, keine guten Gründe dafür gibt, kommentiert Armin Pfahl-Traughber.

„Nutztier Schwein“: Hausschweine (Sus scrofa domestica) besitzen eine hohe Intelligenz, erstaunlich kognitive Fähigkeiten und eine dementsprechende Empfindungsfähigkeit. Foto: © dpa

Auch wenn es kaum gelingen kann, das „Gute“ fest zu definieren – auf das Gebot der Minimierung des „Leides“ dürften sich die meisten Humanistinnen einigen dürfen. Die Reduzierung von Angst und Schmerz kann aber nicht beim Menschen halt machen. Denn: „Die Tiere empfinden, wie der Mensch, Freude und Leid, Glück und Unglück; sie werden durch dieselben Gemütsbewegungen betroffen wie wir“ (Charles Darwin). Der Besuch in einem Tierheim belehrt darüber ebenso wie der Blick auf einschlägige Forschungsergebnisse. Insofern sind auch Fleischkonsum und Massentierhaltung im Lichte des genannten Prinzips legitimationsbedürftig.

Die Gegebenheiten in der Massenhaltung von Schweinen stehen hier exemplarisch für das Gemeinte: In Deutschland werden jährlich über 50 Millionen Schweine geschlachtet, die ausschließlich zur Ernährung aufgezogen und getötet werden. Bereits in den ersten Lebenswochen setzt man Ferkel meist ohne Betäubung schmerzhaften Eingriffen wie dem Abschleifen der Zähne oder dem Abschneiden des Ringelschwanzes aus. Sie leben auf engstem Raum mit ihren Artgenossen, erhalten Antibiotika, Beta-Blocker oder Psychopharmaka, die im Fleisch des Körpers als Rückstände verbleiben. Da Schweine empfindungsfähige Lebewesen sind, spüren sie häufig mit Angstgefühlen die Nähe ihres Todes. So entsteht „Fabrikfleisch“ für Menschen.

Deren Lieferanten sind aber nicht die sprichwörtlichen „dummen Schweine“: Schweine gelten als intelligente und soziale Lebewesen. Die Ergebnisse der neueren Forschung lassen darauf schließen, dass sie ähnliche kognitive Fähigkeiten wie Hunde, aber auch Primaten, haben. Führen Schweine ein Leben in einer natürlichen Umwelt, so entstehen enge Beziehungen untereinander. Gegenüber Menschen entwickeln sie dann Kontaktbedürfnisse und Zutraulichkeit.

Menschen können wählen

In der Debatte um das Mensch-Tier-Verhältnis findet man bei manchen Humanisten die Auffassung, wonach es kaum noch grundlegende Unterschiede von Mensch und Tier gebe. Dafür sprechen Forschungsergebnisse, die etwa die Begrenztheit des „freien Willens“ der Menschen oder die Intelligenzpotentiale von bestimmten Tieren konstatieren. Indessen ignoriert diese Auffassung eine grundlegende qualitative Differenz: Die geistigen Fähigkeiten des Menschen und die damit einhergehenden Möglichkeiten zum moralischen Reflektieren heben ihn von den Tieren ab. Aus dieser Einsicht ergibt sich aber keineswegs, dass der Mensch andere Lebewesen um seiner Ernährung willen quälen oder töten darf. Ganz im Gegenteil macht gerade die Fähigkeit, sich für unterschiedliche Formen der Ernährung entscheiden zu können, den Fleischkonsum legitimierungsnotwendig: Ein Löwe muss eine Gazelle um seines eigenen Lebens willen jagen. Für den Menschen gilt das nicht. Demnach gebieten gerade die Moralfähigkeit und rationale Überlegenheit des Menschen, sich mit der Frage um richtige Ernährung auseinanderzusetzen: Damit Menschen satt werden, muss kein Tier sterben. Menschen können wählen!

Die vorstehenden Ausführungen stehen nicht – wie etwa das Bekenntnis „Tiere sind meine Freunde und meine Freunde esse ich nicht“ (George Bernard Shaw) – für ein romantisierendes und sentimentales Plädoyer für Tierschutz und Vegetarismus. Gerade die Kenntnis von Leid und Schmerz von empfindungsfähigen Lebewesen nötigt zu einer Positionierung, die aus einer individuellen Entscheidung und nicht aus metaphysischen Setzungen folgt.

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Der Humanismus sieht in der Minimierung von Leid ein tragendes Prinzip des eigenen Selbstverständnisses. Diese Auffassung kann nicht nur gegenüber Menschen, sondern sollte auch gegenüber Tieren gelten. Da der Fleischkonsum ein entscheidender Grund für ihr Leid ist und für den Menschen keine Notwendigkeit für diese Ernährungsform besteht, lässt er sich außer mit Geschmacksempfindungen nicht mehr legitimieren. Allein diese erlauben aber weder Leid noch Tod.

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