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Ein Leben für die Freiheit – Elchin Mammads Kampf für Menschenrechte
Elchin Mammad sitzt in einem kleinen, hellen Raum in Nürnberg und spricht mit ruhiger, bestimmter Stimme. Der Menschenrechtsverteidiger aus Aserbaidschan hat viel erlebt, mehr als die meisten Menschen jemals durchstehen müssen. Seine Reise von der Unterdrückung und Haft in seinem Heimatland bis hin zu einem neuen Leben in Deutschland ist das Ergebnis seiner unerschütterlichen Entschlossenheit, für die Freiheit und Würde der Menschen einzutreten.
Der Beginn eines Kampfes
In seiner Heimat war Elchin Mammad seit mehr als 20 Jahren aktiv. „Ich bin im juristischen Bereich des Rechtsschutzes tätig und war Chefredakteur einer Zeitung. Leider war es eine lange Zeit, in der ich inhaftiert war, aber ich habe meine Tätigkeit nie aufgegeben“, erklärt er. Sein Engagement hatte ihn in Konflikt mit den autoritären Strukturen des Staates gebracht. Anfang 2020 veröffentlichte er einen Bericht über die prekäre Menschenrechtslage in Aserbaidschan – nur wenige Tage später wurde er festgenommen. Der Vorwurf: eine konstruierte Beschwerde, die zu seiner Verurteilung und einer vierjährigen Haftstrafe führte.
Mammad schildert die Zeit im Gefängnis als eine Zeit der Entbehrung, aber auch des Widerstands. „Nichts ersetzt die Freiheit“, sagt er nachdenklich. „Doch selbst hinter Gittern habe ich meine Arbeit fortgesetzt.“ Mit Hilfe von Berufungen und Petitionen gelang es ihm im Laufe der Zeit tatsächlich, die Freilassung von 44 anderen Gefangenen zu erwirken.
Dabei schildert er auch die Bedingungen in der Haft: „Das Gefängnis ist wie ein kleines Aserbaidschan. Es gibt Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, echte Kriminelle und politisch Verfolgte. Die ersten Monate waren geprägt von psychischer und physischer Folter, doch der Druck internationaler Organisationen machte die Situation erträglicher.“ Die Haft hinterließ Spuren, aber auch wichtige Erkenntnisse: „Ich habe in dieser Zeit viel über die sozialen, materiellen und moralischen Probleme anderer Gefangener gelernt. Das hat meinen Einsatz für die Menschenrechte weiter gestärkt.“
Desolate Menschenrechtslage
Die Menschenrechtslage in Aserbaidschan bleibt miserabel. (https://www.amnesty.de/informieren/laender/aserbaidschan). Auch die deutsche Bundesregierung zeigt sich erst kürzlich besorgt angesichts der zunehmenden Repressionen gegen die Zivilgesellschaft. (https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1029722) Laut Mammad gibt es über 300 politische Gefangene,

Die Hauptstadt Baku wirkt modern – doch die Menschenrechtslage ist desolat.
unabhängige Medien sind nahezu verschwunden, und viele Journalisten und Aktivisten sitzen hinter Gittern. „Die Zivilgesellschaft ist gelähmt“, sagt er. Journalisten werden systematisch verfolgt, unabhängige Berichterstattung ist nahezu unmöglich. „Die meisten Medien in Aserbaidschan sind staatlich kontrolliert oder werden unter Druck gesetzt. Nur wenige, wie Community-TV, bewahren noch ihre Unabhängigkeit“, erklärt er.
Zusätzlich kritisiert Mammad die mangelnde Reaktion westlicher Länder und internationaler Organisationen: „Es ist inakzeptabel, dass wirtschaftliche Interessen über den Menschenrechten stehen. Die Verantwortlichen für Folter und Verfolgung bleiben oft straffrei. Das muss sich ändern.“
Ein neues Leben in Deutschland
Dank der Unterstützung internationaler Organisationen konnte Elchin Mammad nach seiner Freilassung nach Deutschland ausreisen. In Nürnberg fand er mit Hilfe der Humanistischen Vereinigung und ihres „Humanist Shelter“-Programms einen sicheren Hafen. Dieses Programm unterstützt geflüchtete Menschenrechtsverteidiger*innen umfassend: von der Bereitstellung von Unterkunft und Sprachkursen bis hin zu Hilfe bei Behördengängen und der Integration. (Mehr Informationen zum Humanist Shelter Program finden Sie hier.) Unterstützt wird das Programm vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland.
Bewegt schildert Mammad, wie viel ihm diese Unterstützung bedeutet: „Ich bin unglaublich dankbar für die Möglichkeiten, die mir hier geboten werden. Das Humanist Shelter-Programm gibt mir die Freiheit und die Ressourcen, meinen Kampf fortzusetzen. Es ist ein echtes Vorbild für internationale Solidarität.“

Im November 2024 fand in Baku die UN-Klimakonferenz COP 24 statt. Dabei präsentierte sich das Land fortschrittlich und weltoffen. Es genügt jedoch ein kurzer Blick hinter die Kulissen… (Bild: President.az, CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)
Neben seinem weiteren Engagement von hier aus, Sprachkursen und Behördengängen arbeitet er daran, die internationale Aufmerksamkeit auf die Situation in Aserbaidschan zu lenken. „Ich will die Geschichten derjenigen erzählen, die immer noch inhaftiert sind. Ihre Stimmen dürfen nicht verstummen.“
Ungebrochene Hoffnung
Trotz aller Erlebnisse ist Mammad kein gebrochener Mensch und bleibt trotz der großen Herausforderungen optimistisch. „Freiheit ist ein unverzichtbarer Wert“, betont er. „Ich glaube daran, dass sich das demokratische Umfeld in Aserbaidschan verbessern wird. Aber die Menschen müssen lernen, für ihre Rechte einzutreten.“
Er weist darauf hin, dass gesellschaftliche Veränderungen möglich sind, wenn Menschen ihre Rechte einfordern. „Die Geschichte zeigt, dass Diktaturen nicht ewig währen. Die Menschen in Aserbaidschan müssen erkennen, dass sie eine Stimme haben. Wenn sie aufstehen, wird sich etwas ändern.“
Ein besonderer Tag für Menschenrechtsverteidiger
Am 24. Januar wird weltweit der Tag des verfolgten Anwalts begangen – ein Tag, der darauf aufmerksam macht,

… um zu erkennen, dass dieses Bild trügt, denn Menschenrechtsverletzungen sind hier an der Tagesordnung. (Bild: Dean Calma via flickr.com)
wie gefährlich es für Jurist*innen sein kann, sich für Menschenrechte einzusetzen. „In Ländern wie Aserbaidschan riskieren Anwält*innen und Aktivist*innen täglich ihr Leben und ihre Freiheit, um für Gerechtigkeit zu kämpfen. Wir dürfen sie nicht vergessen.“
Der Tag des verfolgten Anwalts erinnert daran, dass eine unabhängige Justiz genauso wie die Beachtung der Menschenrechte und der Rechte von Menschenrechtsverteidiger*innen eine wichtige globale Aufgabe ist. Elchin Mammad ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie internationale Solidarität zum Erfolg führen kann.
Eine Botschaft der Dankbarkeit
Zum Schluss richtet Mammad eine persönliche Botschaft an die Menschen in Deutschland: „Ich möchte mich aus tiefstem Herzen bedanken. Deutschland hat mir nicht nur Sicherheit gegeben, sondern auch die Möglichkeit, meinen Kampf für die Menschenrechte fortzusetzen. Es zeigt, dass internationale Solidarität einen echten Unterschied machen kann.“
Mammads Aussagen und seine Geschichte sind Mahnung und Inspiration zugleich: Sie zeigt, dass der Kampf für Menschenrechte alleine durch den Vorbildcharakter niemals vergeblich ist, auch wenn er persönliche Opfer verlangt. Mit seiner Arbeit in Deutschland setzt er ein Zeichen für Solidarität und die unermüdliche Verteidigung von Freiheit und Würde – über alle Grenzen hinweg.
