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Staatsleistungen: Superreich entbehrt nicht gern

Eine Stellungnahme der Kirchen zu einer Anhörung im Deutschen Bundestag signalisiert die Bereitschaft zur Ablösung der historischen Staatsleistungen. Aber nur ganz langsam und zu höchsten Beträgen. Und auch der eventuelle Wegfall von Steuer- und Abgabenprivilegien sei zu entschädigen.

Eine Stellungnahme der Kirchen zu einer Anhörung im Deutschen Bundestag signalisiert die Bereitschaft zur Ablösung der historischen Staatsleistungen. Aber nur ganz langsam und zu höchsten Beträgen. Und auch der eventuelle Wegfall von Steuer- und Abgabenprivilegien sei zu entschädigen.

Summen von bis zu mehr als 20 Milliarden Euro stehen bei der Ablösung der historischen Staatsleistungen in der Diskussion. Foto: Esther Stosch / pixelio.de

Die Römisch-katholische und die Evangelische Kirche in Deutschland haben den im vergangenen Jahr von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf für ein Grundsätzegesetz zur Ablösung der historischen Staatsleistungen (Drs. 19/19273) als „hilfreiche Grundlage für weitere notwendigen Erörterungen“ bezeichnet.

Die Stellungnahme erfolgte anlässlich der heute dazu vom Innenausschuss des Bundestages durchgeführten Anhörung und sie monierte zugleich zahlreiche Details des Entwurfs.

So äußerten die Kirchen Zweifel, ob der Anwendungsbereich des Entwurfs hinreichend eindeutig definiert ist und sich nur auf sogenannte positive Staatsleistungen bezieht. Unklar sei, wie mit den sogenannten negativen Staatsleistungen – wie z. B. Steuer- und Abgabeerleichterungen – verfahren werden soll. „Nach der Logik des Gesetzentwurfs wäre ein ersatzloser Wegfall nicht denkbar“, heißt es dazu. Das bedeutet, dass nach kirchlicher Auffassung gegebenenfalls nicht nur Kompensationen für den Wegfall der regelmäßigen Zahlungen in Höhe von derzeit knapp 600 Millionen Euro jährlich zu leisten wären, sondern auch für den Wegfall des jährlichen Werts von steuerlichen Privilegien.

Werden es sogar 20 Milliarden und mehr?

Hinsichtlich der Ablösesumme vertreten die Kirchen zudem die Auffassung, dass der vom Gesetzentwurf vorgesehene Faktor zu niedrig ist. Dieser sieht eine Ablösesumme in Höhe des 18,6-fachen der jährlichen Zahlungen vor, was einem Betrag von mehr als 11 Milliarden Euro entspräche, der durch die Länder zu leisten wäre. Eine enorme Summe, insbesondere angesichts der im Gesetzentwurf ebenfalls vorgesehenen Regelung, dass parallel bis zu einer möglicherweise nur in Raten geleisteten Ablösung die bisherigen Staatsleistungen weiter zu zahlen wären. Im Extremfall würden sich die Gesamtzahlungen bis einschließlich der Ablösesumme für die betroffenen Länder auf über 20 Milliarden Euro belaufen – die Kompensation für gegebenenfalls ebenfalls abgelöste negative Staatsleistungen noch nicht eingerechnet.

Doch damit nicht genug. Die Stellungnahme der Kirchen verweist hinsichtlich des Ablösefaktors darauf, dass in der Vergangenheit bereits erfolgte Ablöseentschädigungen mit einem Faktor von 20 oder gar 25,7 berechnet worden sind. Angesichts der herrschenden Niedrigzinsphase soll der Faktor daher deutlich höher als 18,6 angesetzt werden, „daneben ist auch die sich ergebende Dynamisierung der Staatsleitungen bei der Berechnung der Zahlungsbasis zusätzlich zu berücksichtigen bzw. einzurechnen“, heißt es. Können die Kirchen sich damit durchsetzen, würde dies weitere drei bis fünf Milliarden Euro an Einnahmen bedeuten.

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Und auch damit nicht genug. Die kirchliche Stellungnahme schlägt „im Hinblick auf die hohen Belastungen der öffentlichen Haushalte durch die Corona-Pandemie“ vor, keine starre Frist für den Erlass von Landesablösegesetzen festzulegen, sondern „längere Fristen oder zumindest eine Option, die Frist zu verlängern, vorzusehen.“

Wenig Zweifel dürften bei informierten Beobachter*innen wohl daran bestehen, dass solch eine Möglichkeit, auf Zeit zu spielen, wahrscheinlich nicht nur im Ausnahmefall in Anspruch genommen wird. Was den Kirchen abermals Milliarden einbringen würde.

Länder sollen Ablösefaktor und -fristen verhandeln

Die am Montag im Innenausschuss gehörten Sachverständigen äußerten einhellig die Auffassung, dass der Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen endlich umzusetzen sei. Auch die anwesenden Berichterstatter der Bundestagsfraktionen bejahten dies. Einigkeit gab es ebenfalls darin, dass eine einfache Einstellung der Zahlungen nicht verfassungskonform wäre und Ausgleichszahlungen zu leisten sind. Der Begriff der Staatsleistungen müsse in einem Gesetz genauer und detaillierter bestimmt werden als dies durch die Formulierung der in Artikel 140 Grundgesetz übernommene Vorgabe des Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung geschieht. Dort ist die Rede von „auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften“.

Allerdings vertrat eine Mehrheit der Sachverständigen die Ansicht, dass das Angemessenheitsprinzip bei der Berechnung der Ablösesummen gegenüber dem Äquivalenzprinzip, wie es der Gesetzentwurf zur Grundlage nimmt, zu bevorzugen sei. In der Praxis würde dies den Ländern es eventuell möglich machen, Verpflichtungen zu geringeren Beträgen als dem 18,6-fachen oder noch mehr abzulösen. Mehrmals wurde empfohlen, dass der Bundestag in einem Grundsätzegesetz keine Festlegung zum Ablösefaktor treffen sollte, sondern dies den Ländern überlassen sollte. Damit würde bei den Verhandlungen über eine Ablösung den jeweiligen vertraglichen Verpflichtungen sachgerechter entsprochen werden können.

Wie es scheint, bewegt sich nach dem neuerlichen Vorstoß beim Thema vonseiten FDP, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke für die Umsetzung des Verfassungsauftrags zur Ablösung der Staatsleistungen derzeit tatsächlich etwas. Hatte die Bundesregierung noch 2013 erklärt, trotz der eindeutigen Vorgabe im Grundgesetz hierfür keinen Handlungsbedarf zu sehen, kann diese Haltung heute nicht mehr seriös vertreten werden.

Klar scheint aber auch, dass die Kirchen die Länder nicht zum Sondertarif aus ihren Verträgen entlassen werden – im Gegenteil. Und sie haben keine schlechten Chancen, sich damit durchzusetzen, denn die den Zahlungen und steuerlichen Erleichterungen zugrundeliegenden Vereinbarungen enthalten in der Regel „Knebelklauseln“, die eine Ablösung ohne Zustimmung der Kirchen – bzw. im Falle der katholischen Kirche ohne rechtzeitiges „freundschaftliches Einvernehmen“ – ausschließen. Nicht mehr unwahrscheinlich ist es daher, dass es tatsächlich in absehbarer Zeit zu einem Grundsätzegesetz zu historischen Staatsleistungen kommen wird, wodurch der Bund seinen formalen Pflichten nachgekommen wäre und der Auftrag des Grundgesetzes in die Bundesländer gespielt sein würde.

Auch superreiche Bistümer entbehren nicht gern

Zwar sind nicht alle Bistümer und Landeskirchen in Deutschland extrem vermögend, doch auch die superreichen unter ihnen entbehren nicht gern den gewohnten Komfort. Hunderte Millionen Euro „auf der hohen Kante“ haben sogar kleine Bistümer wie das Bistum Limburg, die Vermögen größerer Bistümer beziffern sich teilweise im mittleren einstelligen Milliardenbereich.

Es ist deshalb plausibel, dass es mittlerweile sogar kirchlicherseits Interesse an einer gewissen Auflösung des deutlichen Widerspruchs zwischen Verfassungsgebot und Realität geben dürfte. Denn angesichts weiter rapide sinkender Mitgliederzahlen ist nicht sicher absehbar, wie in etwa zehn Jahren der gesellschaftliche und politische Rückhalt sein wird. Vielleicht ist es daher günstig, sich auf den nächsten Akt in diesem Stück auf der Bühne der Bundespolitik einzulassen.

Doch das kommt voraussichtlich nur ganz langsam und zu den höchstmöglichen Beträgen. Denn solange die Vertreter*innen der kirchlichen Interessen in den politischen Institutionen die Nase vorn haben, müssen eben auch alle Bürger*innen ohne (gültigen) Taufschein über ihre Zahlungen an die Landeshaushalte Beiträge zum Wirken der Institutionen im Namen Jesu leisten. Dass die Kirchenvertreter*innen hier klar die Nase vorn haben, hat die heutige Anhörung des Innenausschusses abermals belegt.

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