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Interview

„Dieses Bistum strotzt vor Geld“

Der am Freitag vorgestellte Bericht zum Vermögen des Bistums Limburg weist mit rund 909 Millionen Euro eine atemberaubende Bilanzsumme aus. Doch die vorgelegten Zahlen zeigen Laien nicht den gesamten Reichtum der skandalumwitterten Diözese. Ein Experte erklärt, was sich hinter unscheinbaren Bilanzposten verbirgt.

Der am Freitag vorgestellte Bericht zum Vermögen des Bistums Limburg weist mit rund 909 Millionen Euro eine atemberaubende Bilanzsumme aus. Doch die vorgelegten Zahlen zeigen Laien nicht den gesamten Reichtum der skandalumwitterten Diözese. Ein Experte erklärt, was sich hinter unscheinbaren Bilanzposten verbirgt.

Erstmalig legte das Bistum in einem Abschlussbericht öffentlich Rechenschaft über Vermögenswerte und finanzielle Verpflichtungen ab. In den Erklärungen zum Finanzbericht bemühten sich die Kirchenvertreter in Limburg nach Kräften, die aufgeführten Beträge zu relativieren. Es sollte schließlich nicht der Verdacht aufkommen, dass der abberufene Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst möglicherweise einfach nur dem vorhandenen Wohlstand entsprechend zu leben versucht hat. Michael Bauer,  Vorstand der Humanistischen Vereinigung, hat sich die Zahlen eingehender angesehen.

Am vergangenen Freitag hat das Bistum Limburg erstmalig eine Darstellung seines Vermögens veröffentlicht. Was lässt sich von dem Bericht lernen?

Michael Bauer: Dass nicht nur indische Maharadschas über märchenhafte Reichtümer verfügen, sondern auch katholische Potentaten in Südhessen.

Wie meinen Sie das?

Die veröffentlichten Zahlen sind wirklich atemberaubend. Dieses Bistum strotzt vor Geld. In der Relation zum Vermögen sind die üppigen Ausgaben für die berüchtigte Bischofsresidenz höchstens Peanuts.

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Der Bericht verspricht mehr Transparenz für Kirchenangehörige. Wie weit erfüllt der Bericht in Ihren Augen dieses Versprechen?

Er ist auf jeden Fall besser als kein Bericht, und die Verfasser haben sich erkennbar Mühe damit gegeben. Aber entscheidend ist die Deutung. Der Bericht ist im Wesentlichen als ordentliche Bilanz gestaltet, gemäß den gesetzlichen Vorgaben. Deshalb sind alle Positionen nur zu verstehen und richtig zu bewerten, wenn man das nötige Hintergrundwissen zur Entstehung dieser Zahlen hat und zu dem, was sie tatsächlich abbilden. So wie sie da stehen, sagen die Summen ganz wenig aus.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Am spannendsten ist das im Anlagevermögen. Das wird mit 810 Millionen Euro angegeben. Davon repräsentieren knapp 80 Millionen Gebäude und Grundstücke. Dieser Wert wurde – buchhalterisch ganz korrekt – ermittelt, indem man die Anschaffungskosten minus den Wertverzehr durch Abnutzung gerechnet hat. Über den Marktwert der Immobilien ist damit aber gar nichts gesagt. Ein Beispiel: Ein Wohngebäude, sagen wir mit zehn Wohneinheiten, aus dem Jahr 1960 ist normalerweise inzwischen vollständig abgeschrieben. Es steht in der Bilanz mit einem Erinnerungs-Euro, damit man nicht vergisst, dass man es hat. In Wiesbaden wird ein solches Wohngebäude allerdings wohl einen siebenstelligen Betrag wert sein. Dieser Wert taucht nirgendwo auf.

Die wirklichen Werte sind also deutlich höher als angegeben?

Ja, vermutlich sogar um ein Mehrfaches. Ein typischer Posten, in dem sich große Vermögen verstecken, sind die „Beteiligungen“, die auch unter den „Finanzanlagen“ des Bistums ausgewiesen sind. Da fällt vor allem eine mit fast sieben Millionen Euro recht hohe Beteiligung an einem gemeinnützigen Siedlungswerk auf. Das Bistum Limburg hält damit knapp die Hälfte der Anteile an dieser Gesellschaft, die anderen Anteile halten weitere Bistümer. Die erwähnten sieben Millionen geben aber nur den Wert des Geschäftsanteils wieder, nicht das dadurch gesteuerte Vermögen. Diese Wohnungsbaugesellschaft hat neben Sozialimmobilien wie Pflegeheimen und Kitas auch 5.600 Mietwohnungen, außerdem ist sie als Bauträger für alle möglichen Arten von Wohnimmobilien tätig. Der Wert der Immobilien wird in der Bilanz der Gesellschaft mit 372 Millionen Euro angegeben. Und für diese Summe gilt außerdem wieder das obenstehende: Über den Marktwert ist damit nichts gesagt.

Gibt es eine Möglichkeit, mehr über den tatsächlichen Wert herauszubekommen?

Man kann das grob abschätzen. Zur Immobilienbewertung gibt es die Faustformel nach dem Ertragswert, dabei wird der jährliche Mietertrag für die Bewertung zugrundgelegt und mal 20 genommen. Im Jahr 2012 erzielte die besagte Gesellschaft 31 Millionen Euro derartige Einnahmen, also wäre der Marktwert der Immobilien ungefähr in der Größenordnung von 620 Millionen zu erwarten. Man sieht: aus 620 Millionen Euro Marktwert sind in der Bilanz zu 372 Millionen Euro geworden, und im Zahlenwerk des Gesellschafters tauchen nur noch sieben Millionen Euro auf. Berücksichtigt man den Beteiligungsumfang, dann ist das ungefähr ein Fünfzigstel des Marktwertes.

Stehen den großen Vermögenswerten aber nicht auch große Verpflichtungen gegenüber?

Ja, das stimmt auch. So ein Bistum ist ja ein großer Laden, und natürlich geht es da auch um viel Geld. Es muss Vorsorge getroffen werden für Pensionslasten und so weiter. Doch selbst wenn man das alles berücksichtigt, dann bleiben immer noch sehr hohe Volumina übrig, die als freies Vermögen anzusehen sind.

Die katholische Kirche bittet hingegen bei jeder Gelegenheit um Spenden und öffentliche Unterstützung. Wie bewerten Sie das angesichts der Fakten?

Da kann sich jeder selber einen Reim drauf machen. Es gibt viele, sie sich beruflich oder ehrenamtlich für soziale Projekte in der katholischen Kirche engagieren und damit zu kämpfen haben, dass ihr Projekt finanziell über die Runden kommt. Ich könnte verstehen, wenn es möglicherweise bei den einen oder anderen einen gewissen Unmut über die Mittelverteilung gibt.

Der Papst mahnte wiederholt die Bescheidenheit des Klerus und die Armut der Kirche an.

(lacht) Na, da hat er bei den deutschen Bistümern noch viel zu tun. Limburg ist ja noch nicht einmal das größte oder reichste Bistum.

Immer wieder wird auch mit Verweis auf den großen Reichtum der katholischen Kirche gefordert, bestimmte staatliche Zuschüsse zu streichen. Wie schätzen Sie die möglichen Effekte solcher Streichungen angesichts der Erkenntnisse ein, die sich aus diesem Vermögensbericht ergeben?

Sowas wie die sogenannten Staatsleistungen? Die sind im Vergleich unbedeutend. Wahrscheinlich würde es erst bei der jährlichen Revision bemerkt werden, wenn die mal nicht überwiesen wurden. Wer meint, mit solchen Reformen den Handlungsspielraum der Kirchen zu verengen, hat die Dimension der kirchlichen Finanzausstattung noch nicht erfasst.

Was hat Sie an dem Vermögensbericht eigentlich am meisten überrascht?

Die Zusammensetzung des Anlagevermögens. Ich hätte erwartet, dass es vor allem aus gebundenen Werten besteht, wie Immobilien oder ähnlichem. Das stimmt aber gar nicht. Der allergrößte Teil – 90 Prozent – besteht aus ziemlich liquiden Wertpapieren, wie Fonds, Aktien und Anleihen etc. In solchen Kapitalanlagen hat das Bistum sage und schreibe 700 Millionen Euro gebunkert. Das ist wirklich gewaltig. Und eigentlich beschämend. Als Bischof würde ich da ganz lange den Ball flach halten, bis wenigstens ein Teil dieses Reichtums wieder in die Gesellschaft zurückgeflossen ist. Bedarf wäre ja vorhanden.

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