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Nach Vorstoß im EU-Parlament: „Lebensrechts“-Aktivist*innen mobilisieren
Das europaweite Netzwerk der rechtskonservativen Initiative „1-von-uns“ soll wiederbelebt werden, um einen Entschließungsantrag zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit zu Fall zu bringen.
Das europaweite Netzwerk der rechtskonservativen Bewegung „1-von-uns“ soll wiederbelebt werden, um einen Entschließungsantrag zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit zu Fall zu bringen.
Vor wenigen Monaten erst hat das stark katholisch geprägte Polen auf Initiative der rechtskonservativen Regierungspartei PiS die Gesetzgebung zur Beendigung ungewollter Schwangerschaften trotz anhaltender Massenproteste drastisch verschärft. War in Polen zuvor ein Schwangerschaftsabbruch nur nach einer Vergewaltigung, bei Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter und aufgrund einer schweren Schädigung des Fötus erlaubt, müssen derzeit dort auch Kinder, die keine Chance auf ein Überleben haben, geboren werden. Um kurz darauf zu sterben und beerdigt zu werden – ganz so wie es sich etwa der kinderlose Junggeselle, PiS-Vorsitzende und Regierungschef Jarosław Kaczyński wünscht.
Ein nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungen im EU-Land Polen Ende Oktober 2020 eingebrachter Entschließungsantrag des kroatischen Abgeordneten Predrag Fred Matić (S&D) zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit und den damit verbundenen Rechten in der Europäischen Union (EU) hat daher folgende Ziele: Einen EU-weiten Anspruch auf reproduktive Gesundheit einschließlich des Rechts auf einen rechtzeitigen und sicheren Schwangerschaftsabbruch zu formulieren, „innerhalb eines gemeinsamen Rahmens für Jungen und Mädchen für einen obligatorischen, altersangemessenen und geschlechtsspezifischen Unterricht über Sexualität und emotionale Beziehungen für alle Kinder und Jugendlichen zu sorgen“ und in der Sexualerziehung LGBT nicht zu diskriminieren.
Der Antrag von Matić ist in der Tat eine Art Wiedervorlage eines früheren Entschließungsantrags der portugiesischen EU-Abgeordneten Edite Estrela, der 2013 mehrmals Gegenstand kontroverser Abstimmungen im Europäischen Parlament war. Eine Intervention von EVP und EKR, den Antrag abzulehnen, wurde mit 334 Stimmen und 327 Gegenstimmen sowie fünf Enthaltungen angenommen. Auch die damalige EU-Kommission stellte sich gegen den Antrag. Beim Thema sexueller und reproduktiver Gesundheit gelte das Subsidiaritätsprinzip, weshalb die Rechtslage der jeweiligen Nationalstaaten zu respektieren sei, hieß es damals.
Doch ganz so klar ist die Sachlage offenbar nicht. Das legt ein aktueller „Weckruf“ durch das „Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.“ nahe, das u. a. Persönlichkeiten wie den „Wirtschaftsweisen“ Hans-Werner Sinn, den evangelikalen TV-Moderator Peter Hahne und den Verfassungs- und Steuerrechtler Paul Kirchhof im Unterstützer*innenkreis anführt.
„Das EU-Parlament soll mit einfacher Mehrheit entscheiden, dass Abtreibung ein Menschenrecht sei, in der EU und überall auf der Welt“, heißt es polemisch verkürzt in der Meldung des Vereins. Und sie legt nahe, dass die Reihen der konservativen Teile des Parlaments derzeit noch weniger geschlossen dem Antrag gegenüberstehen. „Die Europaabgeordneten von CDU, CSU und ÖVP lassen sich ausgerechnet von Frau Francis Fitzgerald aus Irland bei den Verhandlungen vertreten. Frau Fitzgerald war Justizministerin in Dublin und eine der Gallionsfiguren im Referendum zur weitgehenden Liberalisierung von Abtreibung in Irland. Klartext: die schärfste Abtreibungsbefürworterin bei den Christdemokraten leitet die Verhandlungen. Warum lassen CDU, CSU und ÖVP das zu?“, beklagt der Bericht.
Die Zeit des christlichen Osterfestes, so schließt der Bericht, „könnte der Weckruf sein, um die Bewegungen für den Schutz des Lebensrechts in den Mitgliedsstaaten aus ihrem gemeinschaftlichen Dornröschenschlaf zu befreien, in den sie seit der erfolgreichen Bürgerinitiative ‚1-von-uns‘ gefallen sind, und jetzt die neue Herausforderung annehmen, den Matic-Bericht zum Scheitern zu bringen, so wie 2014 den Vorläufer namens Estrela. Es wäre eine Art Auferstehung für das Leben.“
Die Domain 1-von-uns.de wurde offenbar zwischenzeitlich freigegeben und befindet sich nicht mehr im Besitz der 1-von-uns-Initiative.