Aus aller Welt
Jede Stimme zählt
Joe Biden wird nächster Präsident der USA und immer mehr Mandatsträger*innen sind nichtreligiös – Ron Miller, Koordinator des Center for Freethought Equality Fund der American Humanist Association, kommentiert das Resultat der US-Wahlen.
Joe Biden wird nächster Präsident der USA und immer mehr Mandatsträger*innen sind nichtreligiös – Ron Miller, Koordinator des Center for Freethought Equality Fund der American Humanist Association, kommentiert das Resultat der US-Wahlen.
Humanist*innen im ganzen Land und auf der ganzen Welt feiern gemeinsam die Niederlage von Donald Trump. Wir können nun auf einen Fortschritt hoffen, der in den letzten vier Jahren nicht möglich war. Auch wenn wir nicht auf sein Niveau schriller Dämonisierung sinken wollen, müssen wir doch anerkennen, dass siebzig Millionen Menschen für den rückschrittlichsten Präsidenten gestimmt haben, den unser Land seit über einem Jahrhundert erlebt hat. Wir freuen uns also, wissen aber doch, dass es noch ein langer Weg ist hin zu einem vernünftigeren, egalitären und von Mitgefühl getragenen Amerika.
Die Umfragen vor den Parlamentswahlen im Jahr 2020 weckten die Hoffnung auf eine klare Absage an Trump und seine christlich-nationalistische Unterstützer*innen-Basis. Traurigerweise zeigt diese Wahl, dass eine beträchtliche Anzahl von Amerikaner*innen weiterhin die gefährliche politische Agenda der weißen christlichen Nationalist*innen befürwortet. Eine Biden-Präsidentschaft wird einen gewissen Schutz gegen ihre schlimmsten Auswüchse bieten; die Ergebnisse dieser Wahl zeigen jedoch, dass der bigotte, wissenschaftsfeindliche, rassistische, frauenfeindliche, fremdenfeindliche und homophobe Kreuzzug der christlichen Nationalist*innen weitergehen wird.
62 Prozent der US-Katholik*innen stimmten bei den Wahlen im November laut Umfragen für die New York Times und andere Medienhäuser allerdings für Donald Trump, unter weißen Evangelikalen taten dies sogar 76 Prozent. Unter den nichtreligiösen Wähler*innen stimmten nur 36 Prozent für Trump und 58 Prozent für Biden.
Zahlen aus 100 Jahren US-Präsidentschaftswahlen
100.
Geburtstag hatte das Frauenwahlrecht in den Vereinigten Staaten in diesem Jahr.
Mit der Einführung im Jahr 1920 erhöhte sich die Zahl der abgegebenen Stimmen im Vergleich zur Wahl vor Jahre zuvor um 77 Prozent bzw. rund sieben Millionen Wählerinnenstimmen auf rund 16,14 Millionen.
Nur
1 Mal in den letzten 30 Jahren
hat ein Präsidentschaftskandidat der Republikaner das sog. „popular vote“ gewonnen, d. h. die Mehrheit der tatsächlich abgegebenen Stimmen.
Hintergrund: Die US-Wahlberechtigten stimmen nicht über eine Präsidentschaftskandidat*in, sondern über ein Gremium von Wahlleuten ab, das „Electoral college“, welches anschließend den/die Präsident*in wählt.
Rund
80 Mio.
Stimmen hat der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden bei den Wahlen im November erhalten.
Joe Biden hat damit rein zahlenmäßig so viele Stimmen erhalten wie kein US-Präsident vor ihm. Die Zahl der abgegebenen Stimmen verändert sich aufgrund des Wachstums der wahlberechtigten Bevölkerung sowie der Höhe der Wahlbeteiligung.
9,74 Mio.
Wähler*innenstimmen genügten vor 100 Jahren, um dem Republikaner Warren Harding die erforderliche Mehrheit im Electoral college zu sichern.
48 Jahre später sorgten 13,8 Mio. Stimmen für den Einzug des Republikaners Richard Nixon ins Weiße Haus, trotz seines Unterliegens beim „popular vote“, wo er sogar nur 43,42 Prozent aller abgegebenen Stimmen erhielt.
1. US-Vizepräsidentin
in der Geschichte der Vereinigten Staaten wird: Kamala Harris (56).
Ihr gelang mit Joe Biden im November der Wahlsieg. Damit gibt es in Anlehnung an die Tradition der „First ladies“ in den USA es auch erstmals einen „second gentleman“, den Anwalt Douglass Emhoff.
2 Mitglieder des US-Repräsentantenhauses
identifizieren sich als Humanisten, Jared Huffmann (Kalifornien) und Jamie Raskin (Maryland).
Insgesamt acht offen bekennende Humanist*innen, Atheist*innen und Agnostiker*innen waren zu den Wahlen angetreten. In der Legislative der US-Bundesstaaten üben derzeit mehr als fünf Dutzend weitere Abgeordnete, die sich offen als nicht-religiös und/oder humanistisch identifizieren, ein Mandat aus.
Glücklicherweise haben die wachsende atheistische und humanistische Community und unser zunehmendes politisches Engagement das Potenzial, dem christlichen Nationalismus wirksam entgegenzuwirken. Zwar konnten wir bei dieser Wahl im US-Kongress und in den Parlamenten der Bundesstaaten keine Zugewinne erreichen, aber unser kontinuierliches Wachstum und unser Engagement machen uns zu einem Wähler*innenblock, mit dem man rechnen muss. Dieser atheistische, agnostische und religiös nicht gebundene Block hat sich seit 2008 fast verdoppelt – von fünfzehn auf achtundzwanzig Prozent der registrierten Wähler*innen. Wir müssen uns weiter organisieren und unsere Werte vor den Wahlurnen bekannt machen, und unsere Mitglieder müssen für öffentliche Ämter kandidieren.
Vor den Parlamentswahlen 2016 gab es nur fünf gewählte Amtsträger*innen, die in staatlichen Parlamenten dienten und sich öffentlich mit der atheistischen und humanistischen Community identifizierten. Nach der Wahl 2016 wuchs diese Liste auf siebzehn und nach der Wahl 2018 auf siebenundvierzig an. Wenn die neu gewählten Amtsträger*innen 2021 vereidigt werden, wird es dreiundsechzig nichtreligiöse Mandatsträger*innen auf Bundes- und Länderebene geben.
Diese Wahlerfolge wurden durch den Freethought Equality Fund ermöglicht, ein politisches Aktionskomitee, das zum Center for Freethought Equality der American Humanist Association gehört. 2020 konnten atheistische, humanistische und agnostische Kandidat*innen wie Melissa Sargent und Kelda Roys Sitze im Senat des Staates Wisconsin erringen. Julie Mayfield gewann einen Sitz im Senat des Staates North Carolina und Melody Hernandez wird sich Juan Mendez und Athena Salman in der Legislative von Arizona anschließen. Judy Amabile errang einen Sitz im Colorado State House und es gibt vierzehn humanistische Mitglieder im Repräsentantenhauses von New Hampshire, die in der Sitzungsperiode 2021 dienen werden – darunter Tim Smith, der in seiner fünften Amtszeit der am längsten dienende öffentlich gewählte atheistische Amtsträger in Amerika sein wird. In einem sehr engen Konkurrenzkampf gewann Jon Rosenthal nach seiner ersten Amtszeit im Bundesstaates Texas als einziger Mandatsträger, der sich öffentlich mit unserer Gemeinschaft identifiziert, die Wiederwahl mit einem Abstand von nur 317 Stimmen. Ein klares Beispiel dafür, dass jede Stimme zählt.
🎯 NDRC REDISTRICTING TARGET VICTORY 🎯
The fight goes on! Congratulations to Jon Rosenthal (@Jon_RosenthalTX) for winning his re-election in Texas’ House District 135, and keeping up the hard work to ensure Texas achieves #FairMaps during the 2021 redistricting process. pic.twitter.com/IGshCeUJzK
— NDRC (@DemRedistrict) November 9, 2020
Alle Mitglieder des Freidenker*innen-Ausschusses im Kongress haben auch ihre Wiederwahl gewonnen. Wir sind sehr stolz auf die offen humanistischen, atheistischen, agnostischen und nichtreligiösen Kandidat*innen, die sich in diesem Jahr zur Wahl gestellt haben, und auf das wachsende Engagement unserer Gemeinschaft im politischen Prozess.
Das anhaltende Wachstum der atheistischen und humanistischen Gemeinschaft und unser verstärktes Engagement im politischen Prozess lassen hoffen, dass die Ergebnisse künftiger Wahlen ein sichereres, vernünftigeres und stärkeres Amerika schaffen werden.