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25 Jahre! Humanistischer Kindergarten in Nürnberg feiert Jubiläum
Im Oktober des Jahres 1994 öffnete der Humanistische Kindergarten Nürnberg-Mögeldorf, die heute älteste humanistische Kita Deutschlands. Anfangs noch kritisch beäugt, ist das Haus zu einer wichtigen Institution im Stadtteil geworden.
Es war ein Wagnis und eine Herausforderung, der sich Eltern und die Humanistische Vereinigung (damals noch der Bund für Geistesfreiheit Nürnberg, BfG) vor 25 Jahren in Nürnberg-Mögeldorf stellten: Die seit vielen Jahrzehnten erste humanistische Kita Deutschlands, deren Pädagogik sich an Werten der Freiheit, der Wertschätzung und Würde eines*einer Jeden, an Gleichheit und Integrität von Menschen orientiert.
Alle bei der Eröffnung am 4. Oktober 1994 vereinte der Wusch, einen Ort zu schaffen, an dem die Bedürfnisse und Interessen der Kinder im Mittelpunkt stünden, einen Ort, der viel mehr sein sollte als nur eine schöne Location. Die Kinder sollten hier in jeglicher Hinsicht unterstützt werden, um selbstbewusste, starke und neugierige Persönlichkeiten zu werden.
Diese Idee, die auch die damals vollzogene Zuwendung zu einem „praktischen Humanismus“ beschreibt, verlangte von allen Beteiligten viel Überzeugung und eine gute Portion Optimismus, denn es gab Widerstände, von außen, mitunter aber auch von innen. Martin Scheder, Vater der ersten Stunde, erinnert sich: „Anfangs gab es im Vorstand des BfG und auch bei den Mitgliedern große Bedenken, ob dieses Projekt gelingen würde. Dietmar Fischer, einer der Initiatoren des Projekts, überzeugte uns und andere Eltern, Mitglied zu werden und damit die Idee voranzutreiben. Unser größter Gegner aber war der damalige Pfarrer von Mögeldorf. Er hatte große Angst vor den „Gottlosen“ in seiner Nachbarschaft. Auf der anderen Seite gab es zum Teil große Zustimmung durch Politiker*innen, Künstler*innen und andere mehr.“ Auch der Verlag Nürnberger Presse unterstützte das Projekt.
Erfolgreich gegen jede Skepsis
Allen Ungewissheiten und Vorurteilen zum Trotz waren alle 50 Plätze des Kindergartensvom ersten Tag an belegt, und die Kinder bekamen von der anfänglichen Skepsis und dem Exoten-Status ohnehin nichts mit. Ihren Eltern war es aber wichtig, dass sie in eine Kita gehen könnten, wo sie frei von Religion und mit moderner Erziehung und Bildung die Zeit bis zum Beginn der Grundschule begleitet würden. Vom pädagogischen Konzept mit viel Freispiel und einem situationsorientierten Ansatz waren die Allermeisten schnell überzeugt.
Die Motivation, etwas Besseres zu schaffen, wurde zusätzlich beflügelt durch ein starkes Gemeinschaftsgefühl, das in manch anderem Kindergarten wohl kaum zu finden ist. „Der Start des Kindergartens wurde von unserer Begeisterung getragen. Unsicherheiten und Anlaufschwierigkeiten konnten wir zusammen mit dem Team leicht bewältigen“, resümiert Scheder. Von Anfang an gab es zudem einen aktiven Elternbeirat, der das Team unterstützte, außerdem unzählige Stunden an ehrenamtlichem Engagement der Eltern und BfG-Mitglieder.
Gemeinsam Zeit verbringen und gemeinsam Feiern war von Anfang an ein wichtiger Bestandteil der Konzeption. Verschiedene Feste, Ausflüge, Freizeiten in Jugendherbergen, Kanufahren oder gemeinsame Wanderungen sind nur wenige Beispiele dafür, auf welchem Weg sich die Beziehungen zu Kindern und Eltern vertieften und das große Ganze im positiven Sinn bereicherten . Hinzu gekommen ist eine mit den Jahren immer intensivere Väterarbeit mit dem regelmäßigen Vater-Kind-Zelten im Sommer. Manche Mütter organisieren derweil ihren „Mama-Chillout“. Die Aktivitäten sind andere als früher, aber gleich intensiv.
Madeleine Stauber besuchte als kleines Mädchen früher selbst das Haus für Kinder, einige Jahre später hat sie dortnun ein pädagogisches Praktikum absolviert. Die Zeit damals habe sie geprägt, erzählt sie. Es sei so wichtig, dass persönliche Bedürfnisse eines jeden Kindes akzeptiert, respektiert und gefördert würden. „Auch, dass diesem vielseitige Möglichkeiten und unterstützende Hilfestellungen gegeben werden, eigene Erfahrungen, den eigenen Fähigkeiten entsprechend, zu machen. In der heutigen Zeit stellt die Angst vor Fremden und Unbekanntem ein immer größeres Problem dar und führt zu falschen und diskriminierenden Menschenbildern.“ Deshalb, sagt Stauber, sei es grundlegend, Fähigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen und das Leben in einer aus vielen verschiedenen Kulturen bestehenden Gesellschaft zu lernen. Dies sei ihr als „Prinzip meines täglichen Lebens und der humanistischen Pädagogik“ sehr wichtig.
Verwaltungsaufwand nimmt zu
Waren es in den Anfangsjahren noch je 25 Kindergartenkinder in zwei Gruppen, aufgeteilt in Ganztags- und Halbtagesplätze, wird heute teiloffen gearbeitet. 2007 vergrößerte sich durch den Krippenanbau die Anzahl der Kinder und Betreuer*innen. Auch dieser Schritt war anfangs nicht unumstritten, schließlich verkleinerte sich dadurch der Garten, das Team verdoppelte sich und Dinge wie Personalmanagement wurden wichtiger. Die Verpflegung musste aufgrund der neuen Größe der Einrichtung umstrukturiert werden, strengere Vorschriften waren einzuhalten. Auch für Leiterin Sabine Wietz eine enorme Aufgabe: „Es dauerte ein paar Jahre, bis wir zu einem Haus verschmolzen. Aber heute ist die Krippe nicht mehr wegzudenken. Für Eltern ist es immer noch ein Hauptgewinn, wenn Kinder alles in einem Haus durchlaufen können.“ Insgesamt kümmern sich heute 14 pädagogische Mitarbeiter*innen um insgesamt 50 Kindergarten- und 24 Krippenkinder.
Das jüngste, mittlerweile aber auch schon seit 2013 bestehende Projekt im Haus für Kinder ist die integrierte Waldgruppe. Täglich von Montag bis Donnerstag gehen 16 Kinder am Vormittag in den Reichswald, am Nachmittag und jeden Freitag sind sie im Haus. (Fast) unabhängig vom Wetter verbringen die Kinder ihre Zeit bei Wind, Sonne, Regen oder Schnee im Freien, mitten in der Natur. Sie erleben Wetterphänomene und die Jahreszeiten hautnah und Wietz gerät beim Beschreiben fast ins Schwärmen: „Die erholsame, ruhige Umgebung des Waldes stärkt körperliche und seelische Gesundheit. Der Aufenthalt im Wald ist einfach ein Kontrastprogramm zur allgegenwärtigen Reizüberflutung, zur ständigen Präsenz digitaler Medien, zu Bewegungsmangel und Lärmbelästigung. Im Wald findet echtes Erleben statt.“
Kreative, tiefgründige oder erlebnisreiche Projekte, turnen, die spielzeugfreie Zeit, musikalische Früherziehung, das Philosophieren mit Kindern, der Umgang mit modernen Medien, Sprachunterricht, Themen und Aktionen zu Umwelt und Natur, Theaterstücke und die verschiedenen Veranstaltungen und Feste – aus dem kleinen Setzling in Mögeldorf ist im Laufe der Jahre ein stattlicher und gesunder Baum gewachsen. Einer, der zum Vorbild für viele folgende Einrichtungen geworden ist. Stand heute gibt es 19 Kitas der Humanistischen Vereinigung in München, Nürnberg, Regensburg, Fürth und Erlangen.
Wie prägend die Jahre im Kindergarten sind und wie wichtig Eltern und Kindern eine humanistische Lebenseinstellung ist, zeigen die vielen „Ehemaligen“, die ihrer Kita bei Festen oder anderswo treu geblieben sind. Ehemalige wie Madeleine Stauber: „Ich erinnere mich noch an so viel. Vor allem an die Zeit an der frischen Luft, die immer höchste Priorität hatte. Der große Garten, der zum stundenlangen Spielen zwischen Bäumen oder am Klettergerüst einlud, das Buchsbaum-Labyrinth, in dem man sich ungestört (bis man dann doch vermisst wurde!) mit Feuerkäfern oder Nacktschnecken beschäftigen konnte, und auch die Ausflüge in den Wiesengrund zum Schäfer sind mir in Erinnerung geblieben.“