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Bayern

Klage für Humanistischen Unterricht

Der Humanistische Verband Bayern will eine gleichberechtigte Wertebildung an den Schulen des Landes erreichen. Seit kurzem liegt darum eine entsprechende Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach. Für betroffene Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie allgemeine Befürworter bietet eine neue Website die Möglichkeit, die eigene Stimme konkret für Verbesserungen einzusetzen.

Der Humanistische Verband Bayern will eine gleichberechtigte Wertebildung an den Schulen des Landes erreichen. Seit kurzem liegt darum eine entsprechende Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach. Für betroffene Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie allgemeine Befürworter bietet eine neue Website die Möglichkeit, die eigene Stimme konkret für Verbesserungen einzusetzen.

Offiziell ist rund ein Sechstel der Schüler in Bayern konfessionsfrei. Die große Mehrheit von ihnen ist nicht religiös. Hinzukommt: Nur ein kleiner Teil der Menschen unter 40 bezeichnet religiöse Überzeugungen und Vorstellungen als relevanten Teil des eigenen Lebens. Das zeigen regelmäßig empirische Untersuchungen und Umfragen. Doch die Schulen im Freistaat sind darauf bisher nur unzureichend eingestellt. Dabei wäre ein wichtiger Schritt zu einem besseren Fächerkanon eigentlich relativ einfach: durch einen Unterricht, der auch Nichtreligiösen eine Wertebildung entsprechend ihren tatsächlichen Lebenswelten und weltanschaulichen Vorstellungen ermöglicht. Davon ist der Humanistische Verband Bayern überzeugt und hat den Kampf für die Zulassung eines entsprechenden Fachs aufgenommen.

Seit Jahrzehnten verliert der Religionsunterricht in Bayern kontinuierlich an Interesse bei Schülern und Eltern. Zur Verringerung der Abmeldezahlen wurde zwar im Jahr 1972 als Ersatzfach „Ethik“ eingeführt. Doch den Schwund konnte dies nur aufhalten, nicht stoppen. Zuletzt lag die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die nicht an einem Religionsunterricht teilnehmen, mit 276.000 bei mehr als einem Fünftel der Gesamtschülerzahl von rund 1,25 Millionen.

Auf die Frage, was ihnen das Ersatzfach „Ethik“ in Bayern bietet, geben weitere Zahlen einen Vorgeschmack: Nur 4,5 Prozent der Ethik-Lehrkräfte hatten 2017 einen entsprechenden Abschluss, laut einem Bericht der Bayerischen Staatszeitung mit Berufung auf den Fachverband Ethik unterrichteten in früheren Jahren bis zu 90 Prozent fachfremd. An rund 13 Prozent der Schulen gebe es gar keinen Ethikunterricht, hieß es weiter. Erstmals seit der Einführung vor gut viereinhalb Jahrzehnten soll es zwar in Zukunft einen Studiengang „Ethik auf Lehramt“ geben, sodass eines Tages mehr Lehrkräfte mit entsprechender Qualifikation das Fach unterrichten können. Doch grundsätzlich wird sich darüber hinaus nicht viel ändern: „Ethik“ bleibt in Bayern auf absehbare Zeit Ersatzfach zu katholischer und evangelischer Religionslehre, die laut Gesetz zum Kanon der „ordentlichen Fächern“ gehören. Und Ersatzfach heißt eben nicht nur, auf der bildungspolitischen Prioritätenliste immer ein gutes Stück weiter unten zu stehen. Sondern es heißt auch, ein bloßes Sammelbecken zu bleiben für Kinder und Jugendliche, mit unterschiedlichsten konfessionellen Hintergründen oder ohne Religionszugehörigkeit.

Wenigstens die nichtreligiösen Eltern und Schüler im Freistaat sollen sich mit dem konturlosen Ersatzfach nicht länger abspeisen lassen müssen, meint hier der HVD Bayern. Er beantragte im vergangenen Jahr beim Kultusministerium, Humanistischen Unterricht als wertebildendes Wahlpflichtfach zuzulassen und berief sich dabei auf den Gleichbehandlungsgrundsatz von Religion und Weltanschauung. Das Fach wird bereits seit 2008 an einer privaten Grundschule des Verbandes in Fürth mit ministerieller Genehmigung als ordentliches Lehrfach unterrichtet. Im Land Berlin, wo es 1984 (nach Zulassung durch eine CDU-Bildungssenatorin) eingeführt wurde, nehmen derzeit insgesamt mehr als 63.000 Schüler daran teil – sie profitieren von einer echten Alternative, die sich konzeptionell „auf Augenhöhe“ zum konfessionellen Religionsunterricht befindet. Die Zahl der Teilnehmer wächst dort Jahr für Jahr und das Fach könnte in absehbarer Zeit zum „Marktführer“ bei der schulischen Wertebildung werden, denn die Teilnehmerzahl nähert sich dem bisherigen Inhaber von Platz 1 – der evangelischen Religionslehre – scheinbar unaufhaltsam. Und auch im umliegenden Brandenburg besuchen immer mehr Schüler den Unterricht, da sie weder einen Religionsunterricht noch das Fach „Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde“ (LER) besuchen wollen. Ebenso wie das bayerische Ersatzfach „Ethik“ leidet das staatliche LER unter strukturellen Defiziten.

Humanistischer Unterricht unterscheidet sich vom Schulfach Ethik dadurch, dass er nicht auf der unverbindlichen Ebene eines staatlichen „Ersatzfaches“ stattfindet, sondern bei der Wertebildung von einer ausdrücklich weltlich-humanistischen Grundlage ausgeht und auch deren Tradition und Geschichte vermittelt. Das gemeinsame Philosophieren spielt dabei als Methode eine große Rolle. Eine so begründete Ethik spielt im bayerischen Ethikunterricht keine Rolle, dafür gibt es selbst dort reichlich offen oder verdeckt christlich-religiöse Inhalte.

Das große Interesse in der Bevölkerung an einem zu den Fächern der evangelischen und katholischen Religionslehre gleichberechtigten wertebildenden Fachs mit weltanschaulichem Standpunkt wie Humanistischem Unterricht hielt man offenbar auch im bayerischen Kultusministerium für wahrscheinlich. Der Antrag des HVD Bayern wurde daher mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 abgelehnt. Nach Ansicht des Kultusministeriums widerspreche die Einführung eines Humanistischen Unterrichts dem weltanschaulichen Neutralitätsgebot für staatliche Schulen, das lediglich für Religionen nicht gelte, hieß es zur Begründung. Der HVD Bayern kündigte an, für die Zulassung gegebenenfalls bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.

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Gläserne Wände - Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland

Gemeinsam mit dem Klageverfahren hat der HVD Bayern vor kurzem die Website www.humanistischer-unterricht.de online gestellt. Sie informiert kompakt über das Ziel und die Anliegen der Forderung nach einer gleichberechtigte Wertebildung an Schulen und bietet außerdem einen Überblick zum bisherigen Verlauf der Auseinandersetzungen mit dem bayerischen Kultusministerium seit 2004. Besonders wichtig: Interessierte Schüler, Eltern und allgemeine Befürworter können ihre Unterstützung mittels eines Website-Formulars konkret zum Ausdruck bringen. Denn jede Stimme zählt, um die Staatsregierung von ihrer bisherigen Verweigerungshaltung abzubringen.

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