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Bayern

Was für ein Wochenende!

70 Jahre Menschenrechte, der Traum von Europa als einer Republik der Menschenrechte und vielfältige humanistische Perspektiven – das alles gehörte zum HumanistenTag 2018, dem großen Festival in der Nürnberger Altstadt. Besucher aus allen Teilen Europas diskutierten miteinander und mit namhaften Persönlichkeiten.

70 Jahre Menschenrechte, der Traum von Europa als einer Republik der Menschenrechte und vielfältige humanistische Perspektiven – das alles gehörte zum HumanistenTag 2018, dem großen Festival in der Nürnberger Altstadt. Besucher aus allen Teilen Europas diskutierten miteinander und mit namhaften Persönlichkeiten.

Den Beginn eines spannenden Wochenendes markierte die Veranstaltung im frisch renovierten Historischen Rathaussaal der Stadt Nürnberg. Vor gut gefülltem Haus betrat zunächst Michael Bauer als Geschäftsführer der Deutscher Humanistentag gGmbh die Bühne und zeichnete in einer kurzen Eröffnungs- und Willkommensrede den großen thematischen Rahmen des Festivals, ehe er das Mikrofon an den Moderator Patrick Diemling weiterreichte. Dieser führte durch einen schönen Abend mit Beiträgen von Giulio Ercolessi, Vincent Depaigne, Heiner Bielefeldt und Musik der Weltmusik-Combo Trigane.

Der Humanistentag 2018 stand unter dem Oberthema 70 Jahre Menschenrechte. Einerseits, weil das Jubiläum der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) durchaus Grund sowohl zum Feiern des Erreichten wie auch der kritischen Diskussion ungelöster Probleme und offener Aufgaben darstellt. Andererseits, weil Menschenrechte und Humanismus getrennt nicht zu haben sind. Sie bedingen einander.

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Denn freilich: Wenn auch die AEMR universale Gültigkeit beansprucht, ist die Menschheit von ihrer globalen Umsetzung noch weit entfernt. Menschenrechtlich betrachtet sind die Zeitläufte schwierige und doch fand Giulio Ercolessi, Präsident der European Humanist Federation (EHF) Gründe für Optimismus.

Mit Verve forderte Heiner Bielefeldt im Anschluss, Freiheitsrechte nicht vermeintlichen Sicherheitsinteressen zu opfern. Bielefeldt drohte zwar, „keinen Festvortrag“, sondern vielmehr „schwere Kost“ zu liefern, und riss doch mit.

Applaus brandete auf, als der Inhaber des Erlanger Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik berichtete, sein Kollegium habe Klage gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz eingereicht. Sein Räsonieren über das Verhältnis von Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit geriet so anspruchsvoll wie feurig.

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Mitreißend dann auch der Ausklang: Zu der Musik von Trigane wurde diskutiert und geplaudert, getanzt und gelacht.

70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte „Ist das die Bibel der Humanisten?“, fragte der Deutschlandfunk die Projektleiterin des HumanistenTags Anika Herbst. „Sie ist auf jeden Fall ein Dokument, das die humanistische Lebensauffassung sehr gut widerspiegelt und wie wir uns eine Gesellschaft vorstellen. Unsere Lebensauffassung sehe Menschen als freien Entscheider, als vernunftgegabt, neugierig, forschend und im Handeln ethisch, so Herbst. Hören Sie hier das Gespräch:

Samstag: DJ-Sets und Diskussionen

Rund 700 Teilnehmende zählte der HumanistenTag 2018 an drei Tagen. Zu hören und sehen bekamen sie schon am Samstagmorgen eine sehr lebhafte Diskussion über Presse- und Meinungsfreiheit in Zeiten des neuen Autoritarismus. Gerade die Netzpolik.org-Autorin Constanze Kurz nahm in der Runde mit Marc Soignet und Johannes Richardt kein Blatt vor den Mund.

Nicht weniger kontrovers die zeitgleich stattfindende Debatte im Gewerkschaftshaus Nürnberg: Darf man töten um zu retten? Viele zeigten sich begeistert von der alles andere als anspruchslosen Diskussion um Folter und präventive Gewalt. Derweil sprach man im Aufseßsaal über den Asylgrund Atheismus:

Ahmed Sherwan berichtete, wie er wegen seiner atheistischen Ansichten von der eigenen Familie angezeigt, von irakischen Polizeikräften mit Elektrokabeln gequält und gezwungen wurde, „wie ein Affe“ zu tanzen, weil er von der Evolutionstheorie überzeugt ist.

Dass der HumanistenTag 2018 mehr als ein wissenschaftlicher Kongress war, bewiesen junge Humanistinnen und Humanisten auf dem Kornmarkt. Umsonst und draußen verwandelten sie den Platz vor dem Germanischen Nationalmuseum, der angrenzenden Straße der Menschenrechte und dem Gewerkschaftshaus zur entspannten Begegnungssstätte für Gäste jeden Alters und jedweder Herkunft.

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Zwischen DJ-Sets und Graffiti-Workshop, vor der Wanderausstellung des Hands-on-Museum turmdersinne, bei Lounge-Atmosphäre und Musik kam man ins Gespräch. Die Bildungsinitiative Colored Glasses führte mit Teilnehmenden ein Planspiel durch, in dem Mechanismen von Diskriminierung und Beschneidung der Freiheitsrechte direkt erfahrbar und anschließend ausgewertet wurden.

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Auch das Nürnberger Jugendradio FreeSpirit schaute vorbei. „Unser Besuch hat sich auf jeden Fall gelohnt“, meinten die Podcast-Macherinnen und -Macher. Hier ist die ganze Sendung zu hören:

Wer von den erwachsenen Gäste wollte, kostete derweil am Kunstbalkon im Germanischen Nationalmuseum von den Weinen des Weingutes Probst, stöberte sich durch Büchertische und die Auslagen der vielen Kooperationspartner.

Am Samstag zeigte sich auch: Die Themen des HumanistenTags brachten sogar zivilgesellschaftliche Initiativen vor Ort neu in Schwung. Die Nürnberger Regionalgruppe der pro-europäischen Bewegung „Pulse of Europe“ rief anlässlich des Festivals spontan zu einer Kundgebung und Demonstration bis vor das bayerische Heimatministerium auf.

Die Nürnberger „Pulse of Europe“-Koordinatorin hatte sich bereits beim Besuch des ersten Festivalabends über die „großartige Eröffnung“ gefreut. Nach den Kundgebungen waren die Demonstrierenden beim „Marsch für ein neues Europa“ in den Aufseßsaal des Germanischen Nationalmuseums eingeladen worden, über die Frage „Welche Werte braucht Europa?“ zu diskutieren. Am gleichen Tag überschrieb die Süddeutsche Zeitung einen Bericht über die pro-europäische Bürgerbewegung in Bayern mit: „Diese neue Generation von Europäern ist weiter als die EU selbst.“

Delegierte der European Humanist Federation präsentierten währenddessen im Gewerkschaftshaus Beispiele gelungener humanistischer Praxis aus ganz Europa und verliehen dem Festival das internationale Flair, das es verdient.

Müßig zu betonen, dass diese Bewegung auch für guten Humor viel übrig hat. Vince Ebert, Diplom-Physiker und Wissenschaftskabarettist, brachte zum Abschluss des Samstags mit mal mehr, mal weniger nerdigen Witzen den gut gefüllten Aufseßsaal zum Lachen.

Sonntag: Aliens, Kunst und ein würdiger Preisträger

Das war aber noch längst nicht genug: Cesy Leonard vom Zentrum für politische Schönheit, die Mezzosopranistin Cornelia Lanz und der deutsch-syrische Künstler Manaf Halbouni schärften am Sonntagmorgen Kunst als Waffe im Kampf um Menschenrechte. Steffen Münzberg erklärte in einem launigen Vortrag, warum das Patriarchat sich mit biologischen Erblasten erklären lassen mag, aber eben nicht unabänderlich ist.

Thomas Fischer, Bundesrichter im Ruhestand und nie um eine starke Meinung verlegener Kolumnist, knöpfte sich in seinem Vortrag Schwätzer jeder Couleur vor. Chorleiter und Komponist Axel Schullz bewies mit seinem Smile-Projekt-Chor, dass sich die Artikel der Menschenrechtserklärung gut singen lassen – verstärkt durch Festivalgäste, die dafür an einem Chorworkshop im Rahmen des HumanistenTags teilgenommen hatten.


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Und eine Premiere gab es auf dem HumanistenTag 2018 zu feiern: Erstmals wurde der Hans-Schmidt-Preis verliehen. Mit ihm ehrt der Humanistische Verband Bayern künftig alle zwei Jahre Persönlichkeiten, die sich im Sinne des Namenspatrons Hans Schmidt um Menschlichkeit und Vernunft verdient gemacht haben. Erster Preisträger: Reiner Wagner, Sozialdemokrat und Humanist, der in Nürnberg unter anderem mit seinem Engagement für ein Denkmal für verfolgte Sozialdemokraten sichtbare Spuren hinterlassen hat.

„Der Humanistische Verband will ein Stück Geschichte, ein Stück seiner Geschichte, in unserer Erinnerung lebendig halten. Er will Menschen ehren, die sich in die Tradition von Aufklärung und Mitmenschlichkeit gestellt haben und sich heute, in unserer Gegenwart, um den Humanismus verdient machen“, sagte HumanistenTags-Geschäftsführer Michael Bauer in seiner Laudatio zur Preisverleihung im Aufseßsaal. „Reiner Wagner verbindet beide Ansprüche in seiner Person.“

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Reiner Wagner nahm die Auszeichnung gerne an, das Preisgeld jedoch schlug er aus. Er will damit Recherchen über das Leben Richard Schramms finanziert wissen, eines weiteren Nürnberger Freigeistes und Sozialdemokraten, der in den 1930er Jahren im KZ Dachau inhaftiert war und nach dem Zweiten Weltkrieg den Vorsitz der Vorläuferorganisation des HVD Bayern übernahm. Außerdem übergab Wagner eine Kindergeige, auf der erst einst selbst das Geigenspiel gelernt hatte. Das überarbeitete Instrument, so Wagners Wunsch, soll nun in die Hände eines anderen jungen musikalischen Talents übergehen.

Wir blicken zurück auf ein inspirierendes, abwechslungsreiches Wochenende in Nürnberg. Unser herzlicher Dank gilt allen Unterstützern, Sponsorinnen, den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und all unseren fantastischen Gästen. Und zum Abschluss des Festivals durfte ein Lied selbstverständlich nicht fehlen. In diesem Sinne sehen wir uns wieder vom 12. bis 14. Juni 2020! www.humanistentag.net

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